Fatima sollte die Welt verändern – und tut es zweifellos auch heute noch.[1] Maria bat bei ihrer ersten Erscheinung am 13. Mai drei Hirtenkinder, jeweils am 13. des Monats wiederzukommen, nämlich an den Erscheinungsort der Cova da Iria. Sie forderte die Kinder auf, sich Gott zu schenken und durch Gebet (Rosenkranz) und Opfer, sowie durch geduldig ertragene Leiden, sühnebereit Werkzeug für die Bekehrung der Sünder zu sein.
Während Russland in wenigen Monaten in die Fänge des grausamen Kommunismus geraten wird, wird das von Freimaurern regierte Portugal zum katholischsten Land Europas. Kardinal Cerejeira, Patriarch von Lissabon, wird 1942 sogar aussagen, dass es „kaum möglich ist, im Land eine Handvoll Feinde der Kirche zu finden.“[2]
Der Hass gegen die Erscheinungen in Fatima zeigte sich unmittelbar: Schon bei der für den 13. August vorgesehenen vierten Erscheinung wurden die Kinder verhaftet und mit dem Tod bedroht. Nach ihrer Freilassung wurden sie am 19. August einer eigenen Erscheinung gewürdigt.
Was geschah an diesem 13. Mai 1917?

Hier ist die Geschichte der ersten Erscheinung, geschrieben von Sr. Lucia[3]:
„Hoch oben am Hang der Cova da Iria spielte ich mit Jacinta und Francisco. Plötzlich sahen wir etwas wie einen Blitz. ‚Wir sollten besser heimgehen’, sagte ich zu meinen Cousins, ‚das war ein Blitz; es wird vermutlich ein Gewitter geben.’
‚Ja’ antworteten sie.
Wir trieben die Schafe den Hang hinunter der Strasse zu. Als wir auf halbem Weg den Hang hinunter und schon beinahe auf der Höhe einer uralten Steineiche waren, sahen wir einen zweiten Blitz und erblickten
eine Dame, ganz in weiss gekleidet. Sie war strahlender als die Sonne und um sich herum ein Licht verbreitend, heller und stärker als ein sonnendurchfluteter Kristall. Von dieser Erscheinung überrascht, blieben wir stehen. Wir waren ihr so nahe, dass wir uns im Licht, das sie umgab, oder besser gesagt, das aus ihr hervorging, befanden. Da sagte Unsere Liebe Frau:
‚Fürchtet euch nicht! Ich tue euch nichts Böses.’
‚Woher seid Ihr?’
‚Ich bin vom Himmel.’
‚Und was wollt Ihr von mir?’
‚Ich bin gekommen, euch zu bitten, dass ihr an den sechs folgenden Monaten jedes Mal am 13. des Monats zur gleichen Zeit wie heute hierher kommt. Später werde ich euch sagen, wer ich bin und was ich will.
Und dann werde ich noch ein siebtes Mal kommen.’
‚Werde ich auch in den Himmel kommen?’
‚Ja, du wirst in den Himmel kommen.’
„Und Jacinta?’
‚Sie auch!’
‚Und Francisco?’
‚Ja, auch er, aber er muss viele Rosenkränze beten.’

Da kam mir in den Sinn, eine Frage über zwei Mädchen zu stellen, die oft in mein Elternhaus kamen, und die vor kurzen gestorben waren.
‚Ist Maria das Neves schon im Himmel?’
‚Ja, sie ist im Himmel.’
‚Und Amelia?’
‚Sie muss im Fegefeuer bleiben, bis ans Ende der Welt. – Wollt ihr euch Gott schenken, bereit, jedes Opfer zu bringen und jedes Leiden anzunehmen, das er euch schicken wird, als Sühne für die vielen Sünden, durch welche er beleidigt wird und um die Bekehrung der Sünder zu erlangen?’
‚Ja, das wollen wir.’
‚Ihr werdet bald viel zu leiden haben, aber die Gnade Gottes wird euch helfen und euch die Kraft geben, die ihr braucht.’
Als sie diese letzten Worte sagte, öffnete sie zum ersten Mal ihre Hände, und von dort ging ein solch starkes Licht aus, dass es uns in die Brust und bis in das Innerste unserer Seele drang und wir uns selbst in Gott, der dieses Licht war, schauen konnten – viel klarer als wir uns im besten Spiegel sehen können.
Durch eine innere Anregung, die uns ebenfalls mitgeteilt wurde, fielen wir nun auf die Knie und wiederholten ganz innerlich:
‚O heiligste Dreifaltigkeit, ich bete dich an; mein Gott, mein Gott, ich liebe dich im heiligsten Sakrament!’
Nach einigen Augenblicken fügte Unsere Liebe Frau hinzu:
‚Betet täglich den Rosenkranz, um den Frieden der Welt und das Ende des Krieges zu erlangen!’
‚Können Sie mir sagen, ob der Krieg noch lange dauern oder ob er bald enden wird?’
‚Ich kann es noch nicht sagen, da ich dir noch nicht gesagt habe, was ich möchte.’
Dann erhob sie sich langsam gegen Osten, bis sie in der Unermesslichkeit des Himmels verschwand. Das Licht, das sie umgab, schien einen Weg vor ihr in den Himmel zu bahnen, deshalb sagten wir manchmal,
dass wir den Himmel offen sahen.“
Die einzige Notwendigkeit – die letzten Dinge
Himmel

Die Kinder sehen eine Dame, deren Schönheit und Herrlichkeit unvergleichlich sind und nur unvollkommen beschrieben werden können. Hingerissen von der Erscheinung fragt Lucia, woher sie kommt. Die Antwort ist tiefgründig: „Ich bin vom Himmel.“
Auf die kurze Nachfrage, was die Dame von ihnen, den Kindern, möchte, geht es anschließend nur noch um die entscheidende Frage: Komme ich auch in den Himmel? Und als die Dame später fragt, ob sie bereit sind, jedes Opfer zu bringen, jedes Leid zu tragen, antworten sie ohne zu zögern mit einem entschiedenen: Ja, das wollen wir.
Der Ort, von dem diese Erscheinung kommt, muss so unbeschreiblich schön sein, dass die Kinder bereit sind, alles auf sich zu nehmen, um dorthin zu gelangen. In der Folge sind sie bereit, auch für ihre Mitmenschen alles zu tun: den Rosenkranz zu beten,[4] Opfer zu bringen[5], Leiden geduldig zu ertragen – um als Werkzeuge der Gottesmutter zu helfen, dass möglichst viele ihrer Mitmenschen ebenfalls ihr ewiges Ziel erreichen. Und derselbe Ruf geht natürlich auch an uns!
Doch womit beschäftigen wir uns im Alltag? Abgesehen von unseren Standespflichten, die wir selbstverständlich erfüllen müssen – und natürlich so gut wie möglich –, wie vielen anderen unnützen Vergnügungen rennen wir nach? Von welcher Dankbarkeit müssten wir erfüllt sein, wenn wir katholisch sein dürfen und unser letztes Ziel kennen!
Fegefeuer

Und dass das In-den-Himmel-Kommen gar nicht so leicht und selbstverständlich ist, zeigt uns das Schicksal der Amelia: Fegefeuer bis zum Ende der Zeit. Was das bedeutet, führt P. Stehlin auf beeindruckende Weise aus.
„Wenn gemäß den Kirchenvätern eine Minute im Fegfeuer schlimmer ist als 100 Jahre der schlimmsten Leiden auf der Welt, können wir uns ein wenig vorstellen, was „bis ans Ende der Welt“ bedeutet.
Was für eine Lektion wiederum für uns, die wir völlig eingenommen sind von unseren weltlichen Problemen und Leiden, eingeschlossen in unsere wenigen Jahre auf der Welt, in unsere kleine Gruppe von Leuten, die uns umgeben. Das Leben auf der Welt kann man mit einem Hügel vergleichen, hinter welchem wir ein riesiges Tal erblicken, angefüllt mit einem riesigen Feuermeer, in dem sich unzählbare Seelen befinden. Und unter diesen können wir unsere Vorfahren, Verwandten und Freunde erkennen.
Sie alle haben ihre Augen auf den Himmel gerichtet und auf diesen kleinen Hügel – die Erde – von welchem sie außerordentliche Erleichterung und oft auch völlige Erlösung von ihren Schmerzen erlangen könnten. Wenn nur die Menschen dort nicht nur mit sich selbst beschäftigt wären, sondern ein klein wenig Nächstenliebe besäßen, um ihnen in ihren Leiden zu helfen. Unsere Liebe Frau erinnert uns ganz am Anfang ihrer Erscheinung an diese gewaltige Welt des Fegefeuers, die gefüllt ist mit Millionen von Seelen. Sie tut dies erstens, um uns anzuregen, ihnen zu helfen (weil sie alle ihre geliebten Kinder sind) und zweitens, um uns zu ermahnen, dass dieser Ort nach einer kurzen Zeit auf Erden für viele Jahre auch unser Ort sein könnte, wenn wir uns nicht darum bemühen, „in den Himmel zu kommen“.
Der Gedanke an das Fegefeuer hilft uns, uns von uns selber loszulösen, von unserer lächerlichen kleinen Welt, um einen flüchtigen Blick in die „andere Welt“ zu werfen, die wesentliche und wahre Welt, um so in der Wahrheit zu leben.“[6]
Hölle

Und dass dieses Ziel auch verfehlt werden kann, wird die himmlische Dame bereits in der 3. Erscheinung am 13. Juli 1917 zeigen, wo sie den Kindern zumutet, einen Blick in die Hölle zu werfen, wo sie für wenige Augenblicke die Teufel und die verdammten Seelen sahen.
Jahrzehnte später wird Schwester Lucia im Interview mit Pater Fuentes erklären:
„Es ist nicht meine Aufgabe, der Welt die materiellen Strafen anzukündigen, welche sicher eintreffen werden, wenn die Welt nicht betet und Busse tut. Nein, meine Aufgabe ist es, allen die drohende
Gefahr zu zeigen, in der wir uns befinden – die Gefahr unsere Seelen für immer zu verlieren, wenn wir hartnäckig in der Sünde verbleiben“ (26. Dezember 1957).[7]
Alles durch Maria
Schon in der ersten Erscheinung fragt Maria die Kinder nach ihrer Bereitschaft, sich Gott ganz zu schenken – nach der Bereitschaft zu Opfer, Leiden und Gebet (Rosenkranz).
Da Maria diese Bitte wohl auch an uns richtet, stellt sich die Frage, wie dieser Aufforderung am besten und einfachsten (entsprechend unserer schwachen Natur) nachgekommen werden kann. Die Antwort darauf hat ein Werkzeug der Mutter Gottes bereits mehr als 200 Jahre zuvor auf treffliche Weise gegeben: der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort († 1716) im Goldenen Buch.[8]

Darin beschreibt der Heilige, wie am sichersten und einfachsten bei Gott Erhörung in Gebeten, Sorgen, Nöten und Anliegen gefunden werden kann. Er erklärt, dass alles mit den Absichten Mariens vereint werden soll – auch wenn diese unbekannt sind – und dass mit kindlichem Vertrauen auf ihre Fürbitte alle Gebete, kleinen Opfer und Leiden Gott dargebracht werden sollen. Denn Gott verweigert niemals dem Flehen dieses unbefleckten Herzens, seiner heiligsten Mutter.
Der hl. Ludwig führt weiter aus, dass es sich verhält wie ein armer Bauer,[9] der einem mächtigen König einen wurmstichigen Apfel als Pacht abliefern möchte. (Wurmstichig ist dieser Apfel, weil alle unsere Werke von Eitelkeit, Ehrsucht und oft nur halbherzig vollbracht sind.)
Wenn dieser Bauer jedoch klug und verständig ist und bei der Königin in Gunst steht, wird er sich an sie wenden. Aus wohlwollender und barmherziger Liebe zu diesem armen Bauern nimmt sie den Apfel, entfernt das Wurmstichige und bringt ihn, auf einem silbernen Tablett geschmückt mit den schönsten duftenden Blumen, dem König dar. Dieser betrachtet und entgegnet das an sich unwürdige Geschenk des Bauern – nun bereichert mit den Verdiensten und Tugenden der Himmelskönigin – mit Wohlwollen, allein aufgrund der wohlwollenden Fürsprache seiner Mutter.
Wenn Gott also unsere Gebete erhören soll, wenn wir gute Werkzeuge in der Hand Gottes sein wollen, so müssen wir – vereint mit der Königin des Himmels – alles durch Maria Gott darbringen.
Unsere Liebe Frau von Fatima – bitte für uns!
Quellen und Anmerkungen:
[1] So Papst Benedikt XVI am 13. Mai 2010: Wer glaubt, dass die prophetische Mission von Fatima beendet ist, täuscht sich. („Fatima – Leitstern für die letzten Zeiten“, P. Karl Stehlin, Band 3; S.96) Und am 25. 03. 2022 weiht Papst Franziskus anlässlich des Ukraine Krieges die beiden Länder Russland und Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens – Fatima ist also mit Sicherheit nicht abgeschlossen.
[2] „Fatima – Leitstern für die letzten Zeiten“, P. Karl Stehlin, Band 3, S.13
[3] „Fatima – Leitstern für die letzten Zeiten“, P. Karl Stehlin, Band 1, S. 46ff
[4] Bei jeder Erscheinung wird Maria die Kinder bitten, den Rosenkranz zu beten.
[5] Oft ist wohl schon die treue tägliche Erfüllung unserer Standespflichten mit manchem Opfer verbunden.
[6] „Fatima – Leitstern für die letzten Zeiten“, P. Karl Stehlin, Band 1, S. 55
[7] ebd. S. 97
[8] Und ein anderes Werkzeug der Mutter Gottes, nämlich Pater Kolbe wird diese Antwort auch geben, indem er die Militia Immaculatae gründet – am 16. Oktober 1917 – 3 Tage nach dem Sonnenwunder, das die Kinder und ca. 70.000 Zeugen (darunter viele Zweifler und Ungläubige und Spötter) sehen durften.
[9] Ludwig Maria Grignon von Montfort, „Das goldene Buch“, Lins Verlag, S.104
Bildnachweis:
- Zitat der Woche: fatima.pt, mit entsprechender Erlaubnis
- Die drei Kinder von Fatima, Public Domain, via Wikimedia Commons
- Statue von Fatima: Bingar1234, Public domain, via Wikimedia Commons
- Himmel: Unknown engraver, Public domain, via Wikimedia Commons
- Fegefeuer: Vitrail de l’église Saint-Georges de Saint-Georges de Reintembault (35). Rosace : le Purgatoire, by GO69, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
- Hölle: Hans Memling, Public domain, via Wikimedia Commons
- Der hl. Ludwig Maria Grignion von Montfort, Неизвестный автор, Public domain, via Wikimedia Commons