Wer als MI-Mitglied oder gläubiger Katholik Rom besucht, dem sei herzlich empfohlen, die eher unscheinbare Kirche Sant’Andrea delle Fratte (Google Maps) aufzusuchen. Denn hier ereignete sich am 20. Januar 1842 ein großes Wunder: Der jüdische Bankierssohn Alphonse Ratisbonne, ein überzeugter Gegner der Kirche, hatte eine Marienerscheinung an einem Seitenaltar. Dieses Erlebnis führte zu seiner sofortigen Bekehrung und späteren Priesterweihe.
Das Bild jenes Seitenaltarbildes ist auch das vielfach in der MI verwendete Marienbild – so etwa auf dem Hauptbanner unserer Webseite. An diesem Ort feierte zudem der hl. Maximilian Kolbe am 29. April 1918 seine erste heilige Messe (Primiz).
Nachstehend die Beschreibung des Wunders mit der Wundertätigen Medaille.
Die Bekehrung des Juden Alphons Ratisbonne – ein Wunder der Wundertätigen Medaille
Die folgende Beschreibung der Bekehrung des Juden Alphons Ratisbonne basiert auf einem Bericht, der auf dem Blog von Plinio Corrêa de Oliveira erschienen ist. In diesem lässt er den Bekehrten über weite Strecken selbst erzählen, was sich an jenem 20. Januar 1842 in der Kirche Sant’Andrea delle Fratte ereignet hat – aber auch, was sich in den Tagen und Wochen davor abspielte, auf wunderbare Weise von der göttlichen Vorsehung gelenkt.
Bei diesem Ereignis bekehrte sich der Jude und Kirchengegner – zumindest der Kirche zutiefst abgeneigte – Alphons Ratisbonne schlagartig, als ihm die Heilige Jungfrau erschien, und zwar in der Gestalt, wie sie auf der Wundertätigen Medaille dargestellt ist. Zu diesem Zeitpunkt trug Ratisbonne die Medaille aufgrund einer Herausforderung durch einen Bekannten, den Baron de Bussière, quasi als „Mutprobe“ um den Hals. Der Baron hatte ihn auch dazu bewegen können, das Memorare abzuschreiben und täglich zu beten – jenes Gebet:
„Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria, es ist noch nie gehört worden, dass jemand, der zu dir seine Zuflucht nahm, deine Hilfe anrief und um deine Fürbitte flehte, von dir verlassen worden sei. Von diesem Vertrauen beseelt, nehme ich meine Zuflucht zu dir, o Jungfrau der Jungfrauen, meine Mutter. Zu dir komme ich, vor dir stehe ich als ein sündiger Mensch. O Mutter des Ewigen Wortes, verschmähe nicht meine Worte, sondern höre sie gnädig an und erhöre mich.“
Alphons wunderte sich selbst, dass ihm dieses Gebet nicht mehr aus dem Kopf ging.
Am 15. Januar 1842, als er sich überreden ließ, die Medaille zu tragen, legte er sie sich um den Hals, brach in schallendes Gelächter aus und rief spöttisch:
„Ha, ha! Nun bin ich auf einen Schlag katholisch, apostolisch und ein Römer!“
Und er fügte hinzu: „Der Teufel prophezeite die Wahrheit aus meinem Mund!“
Fünf Tage später sollte Alphons Ratisbonne tatsächlich katholisch und apostolisch und ein Römer sein.
Auch in der folgenden Kurzfassung wird Alphons Ratisbonne häufig selbst zu Wort kommen.
Die Person Alphons Ratisbonne
Lassen wir ihn, den Juden aus Straßburg, selbst sprechen:
„Es war ungefähr im Jahre 1825 (ich bin am 1. Mai 1814 geboren), als sich mein Bruder Theodor, auf den alle große Hoffnungen gesetzt hatten, als Christ bekannte. Obwohl er mit seiner Entscheidung viel Sorge und Schmerz verursacht hatte, verließ er die Familie, wurde Priester und übte sein Amt in der Heimatstadt unter den trostlosen Blicken unserer Eltern aus. Damals war ich jung, und das Verhalten meines Bruders war mir zuwider. Ich begann, sein Priestergewand und seinen Charakter zu hassen. Ich war unter jungen Christen aufgewachsen, die wie ich selbst gleichgültig gegenüber dem Glauben waren. Ich verspürte weder Wohlwollen noch Abneigung gegenüber dem Christentum. Doch durch die Bekehrung meines Bruders, die in meinen Augen einem unerklärlichen Antrieb von Wahnsinn zuzuschreiben war, glaubte ich nun an einen Fanatismus der Katholiken, der mich zutiefst erschreckte. …“
„Damals verfügte ich über mein gesamtes Hab und Gut, da meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war, und einige Jahre später auch mein Vater. Doch ich hatte noch einen achtbaren Onkel, den Patriarchen meiner Familie, der für mich wie ein zweiter Vater war. Er widmete sich mir und meinem Bruder mit voller Liebe, da er selbst keine Kinder hatte.“
Alphons konnte also ein Leben in Reichtum, Festen, Reisen und Vergnügungen führen – was er auch tat, ohne sich jedoch lasterhaften Ausschweifungen hinzugeben. Dennoch war sein Leben leer, und er fühlte sich nicht glücklich. Schließlich glaubte er, das endgültige Glück in der Person seiner wunderschönen Nichte gefunden zu haben, die er zu heiraten gedachte und mit der er bereits verlobt war. Wegen ihres jugendlichen Alters (16 Jahre) kam die Familie überein, dass er noch etwas zuwarten solle. Um diese Zeit zu überbrücken, plante er eine Reise nach Malta, um dort den Winter zu verbringen und im milden Mittelmeerklima seine leicht angeschlagene Gesundheit zu kurieren.
So kam es zu jener schicksalhaften Reise, die ihn letztlich nach Rom führen und sein ganzes Leben verändern sollte.
Der 20. Januar 1842 – der Tag, an dem das Wunder geschah
Was genau in dieser göttlichen Gnadenstunde geschah, schildert Ratisbonne selbst in Briefen und in einer eidesstattlichen Erklärung an das römische Vikariat, das die Echtheit des Ereignisses prüfen musste:
„Plötzlich sah ich eine Art Schleier vor mir. Die Kirche schien bis auf eine Kapelle völlig im Dunkeln zu liegen, als ob sich das gesamte Licht dort gesammelt hätte. Ich blickte auf diese hell erleuchtete Kapelle und sah auf deren Altar die Allerheiligste Jungfrau Maria! Sie stand da – lebendig, groß, mächtig, wunderschön und gnädig. Ihr Gesichtsausdruck und ihre Pose waren dieselben wie auf der Medaille. Sie ließ mich mit einer Handgeste verstehen, dass ich mich niederknien solle. Eine unwiderstehliche Kraft zog mich zu ihr hin und schien mir zu sagen: ‚So ist es genug.‘ Zwar sprach sie diese Worte nicht aus, doch ich hörte sie trotzdem.“
„Beim Anblick der Mutter Gottes fiel ich sofort auf die Knie. Ich versuchte mehrmals, den Blick zu heben, um sie anzusehen, doch meine Ehrfurcht und der Glanz, den sie ausstrahlte, gestatteten es mir nicht. Ich sah auf ihre Hände und erkannte darin Vergebung und Barmherzigkeit. Ohne dass sie ein Wort sprach, verstand ich durch ihre Gegenwart, dass ich in Sünde lebte und dass die katholische Religion die Wahrheit war. Kurzum: Mir wurde alles klar.“
Die unfehlbare Weisheit der göttlichen Vorsehung – vom Saulus zum Paulus
Wenn man die Lebensbeschreibung von Alphons Ratisbonne liest, kann man nicht umhin, staunend und ehrfürchtig die unfehlbare Weisheit der göttlichen Vorsehung zu bewundern. Zu keiner Zeit hat der liebe Gott den freien Willen dieses Mannes beeinträchtigt – und dennoch traf Ratisbonne Entscheidungen, deren tiefere Bedeutung sich ihm erst im Nachhinein erschloss:
Als er von Straßburg aufbrach, hatte er keineswegs die Absicht, Rom zu besuchen. Sein Ziel war Malta, mit Zwischenstationen in Marseille, Neapel, Sizilien und schließlich Malta selbst. Eine Einladung seiner Schwester nach Paris hatte er ausgeschlagen, ebenso ein Angebot eines Freundes, nach Spanien zu reisen. Nein, er hatte sich entschlossen, nach Malta zu fahren – mit der ersten Station auf italienischem Boden in Neapel.
Von dort wollte er weiter nach Sizilien, doch das Schiff fuhr nicht ab, und so verbrachte er den Neujahrstag 1842 in dieser fremden Stadt am Vesuv. Noch bei seiner Ankunft hatte er den Sonnenuntergang und das rauchige Farbenspiel des Vulkans bewundert. Doch am Neujahrstag war er in trauriger, gedrückter Stimmung. Er schlenderte einsam durch die Straßen, betrat eine Kirche und begann – unerklärlicherweise – für seine Lieben zu beten: für seine Verlobte, seinen Onkel, seine verstorbenen Eltern. Auch bat er um den „richtigen Antrieb“, um sein festes Vorhaben zu verwirklichen: das Schicksal der Juden zu verbessern. Seine Traurigkeit wich, und er hatte – verbunden mit einer tiefen Freude – den festen Eindruck, dass sein Gebet erhört worden war.
Als er dann nach Sizilien weiterreisen wollte, unterlief ihm ein ihm selbst unerklärlicher Fehler: Statt ein Schiff nach Palermo zu buchen, entschied er sich für eine Kutschenreise nach Rom! Dort traf er auf Baron Theodor de Bussière, dessen Sohn Gustav ein ehemaliger Schulfreund von Alphons war. Der Baron, ein vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierter Mann, war – so viel wusste Alphons – ein persönlicher Freund seines verhassten Bruders Theodor Ratisbonne. Dies verstärkte seine Abneigung gegen ihn.
Und dennoch: Wegen dieses Mannes, den er gerade erst kennengelernt hatte, verschob er seine Weiterreise nach Sizilien – etwas, das er sich selbst nicht erklären konnte. Selbst engen Freunden gegenüber hatte er zuvor seine Reisepläne nie geändert. Und nun tat er es. Er wunderte sich über sich selbst.
Von diesem Mann nahm er schließlich auch die Herausforderung an, die Wundertätige Medaille zu tragen – etwas, das er eigentlich als lächerlich empfand. Doch er rechtfertigte es vor sich selbst damit, dass er diese Episode zu Hause mit Spott erzählen und damit wohl großen Beifall und Gelächter ernten würde.
Als er dann am Erscheinungstag mit der Kutsche und in Begleitung von Baron de Bussière vor der Kirche Sant’Andrea delle Fratte stand, hätte er – wie vom Baron vorgeschlagen – in der Kutsche warten können. Der Baron selbst musste wegen einer anstehenden Beerdigung mit dem Priester sprechen. Doch Alphons entschied sich – vermutlich aus Langeweile – dazu, die Kirche zu betreten. Ein Besuch, der sein ganzes Leben verändern sollte.
Gott hatte von Ewigkeit her gewusst, dass dieser Jude am 20. Januar 1842 diese Kirche betreten würde – und dass er ihm durch die Vermittlung seiner heiligsten Mutter die Gnade der Bekehrung schenken würde. Und von Ewigkeit her wusste Gott, dass dieser Mann die Gnade nicht abweisen, sondern sie annehmen und als Priester und Werkzeug bereitwillig helfen würde, eine möglichst große Zahl seines auserwählten Volkes nach Hause – in den Schoß der Kirche – zu führen.
Dieses eindrucksvolle Wunder im Zusammenhang mit der Wundertätigen Medaille erinnert in frappierender Weise an die Bekehrung des Saulus zum Paulus. Während der eine als fanatischer Christenverfolger vor dem Licht der ewigen Weisheit vom Pferd stürzte, fiel der andere vor dem Altar der Mutter der ewigen Weisheit zu Boden. Beide erhoben sich als glühende Verehrer Gottes und seiner heiligen Kirche.
Bitten wir die heilige Jungfrau, dass auch wir gefügige Werkzeuge in den unergründlichen und staunenswerten Plänen der göttlichen Vorsehung sein dürfen – und dass auch wir so zur Herrlichkeit des Himmels gelangen.
Bildquellen:
Sant’Andrea delle Fratte, Cappella della Madonna del Miracolo (Roma), by SteO153, CC-BY-SA-2.5, via Wikimedia Commons
Die Marienerscheinung von Alphonse Ratisbonne, by Domenico Bartolini, Public domain, via Wikimedia Commons
Alphonse Ratisbonne, by Foto Franck Paris, Public domain, via Wikimedia Commons