Am heutigen 4. Oktober feiert die hl. Kirche den wohl volkstümlichsten Heiligen, den hl. Franziskus. Im Jahre 1182 in Assisi als Sohn eines wohlhabenden Tuchhändlers geboren, gibt er, etwa 20-jährig, sein verschwenderisches, weltliches Leben auf und führt in radikaler Weise ein Leben der Armut und Busse.
NB: Alle MI-Ritter könnten am heutigen Tag einen vollkommen Ablass gewinnen.
Um was ging es ihm?
Entgegen moderner Vorstellungen, war Franziskus weder ein ökologisch oder soziologisch denkender Mensch noch ein Naturromantiker, geschweige denn ein linker Kirchenrebell. Solche neuzeitlichen Denkkategorien ins Hochmittelalter zu projezieren, verkennt einerseits die Andersartigkeit der damaligen Denkart[1] und andererseits die Persönlichkeit des hl. Franziskus. Schlussendlich vergewaltigen sie die Quellen, welche die Motivation des Armen aus Assisi eindeutig in den übernatürlich-mystischen Bereich verlegen.[2] Es ging ihm in erster Linie um Gott und nicht (primär) um den Menschen, und somit um das Reich Gottes und nicht um die Welt, im Sinne innerweltlicher Utopien. Franziskus war kein Theoretiker, der sich irgendwelche Sozialreformen ausdachte oder Systemveränderungen ins Auge fasste. Im Lichte Gottes sah er viel weiter und erkannte die Ursache aller Missstände in der Gottesferne, im Egoismus der Menschen – in der Sünde. Ihm ging es um die Umkehr der Herzen, dem Ursprung allen Übels, woraus dann sozusagen als unausweichliche Konsequenz, eine Verbesserung der Menschen und somit der Umstände fließt.
Diese, für moderne Ohren vielfach fremd klingende Wahrheit, war für das Mittelalter keine Neuerung, sondern eine Selbstverständlichkeit.[3] Nicht die grundsätzliche Nachfolge Christi und somit das in den Mittelpunkt stellen Gottes war damals das Neue, sondern dessen Radikalität. Und diese Radikalität war nicht eine Reaktion auf soziale Umstände der damaligen Zeit, die wohl der Reform bedurften, sondern Folge der tiefen, mystischen Erkenntnis des Wesens Jesu Christi. Und damit kommen wir auf den tiefsten Kern dessen, was Franziskus antreibt. Er wollte so sein wie Christus, so denken, fühlen und handeln wie er – ein zweiter Christus sein.[4] Seine Sicht der Schöpfung, welche sich nach seiner Bekehrung immer mehr herausbildete, hatte nichts mit einer geradezu esoterisch-romantischen Sicht der Natur und einem innerweltlichen Humanismus zu tun, sondern galt ihr als Spur und Bild des Schöpfers und Erlösers.[5] Dieses Ideal gewann er durch übernatürliche Einsicht, welche die Visionen, die er auf seinem Weg erhielt, begleiteten, den Erleuchtungen des Hl. Geistes in dessen sieben Gaben und der intensiven Betrachtung des Evangeliums.
Seine Spiritualität
Ganz allgemein wird in der franziskanischen Tradition die Geistigkeit des hl. Franziskus in den drei Begriffen Krippe, Tabernakel und Kreuz zusammengefasst. In der Krippe verehrte der Poverello[6] speziell die Armut Jesu Christi. Der Tabernakel steht für seine große eucharistische Frömmigkeit und somit Christozentrik, und das Kreuz für die Verehrung des Leidens Christi bzw. die Kreuzesliebe des hl. Franz.
Zu diesen drei Grundelementen der Frömmigkeit des hl. Franziskus gesellt sich eine innige Liebe und Verehrung zur Gottesmutter. Auf diese wollen wir hier etwas näher eingehen.
Maria von den Engeln, auch Portiunkula genannt
Seine tiefe Verbundenheit zur Jungfrau Maria – ein Titel, der ihm sehr am Herzen lag – zeigte sich zuerst darin, dass er „sich und seinen Orden in ganz besonderer Weise der Gottesmutter und Armenmutter Maria“[7] weihte. „Wiege und Heimat seiner Stiftung war und blieb das kleine Heiligtum Maria von den Engeln oder Portiunkula[8]. In dieser Kapelle ‚flehte er‘, wie Bonaventura schreibt, ‚mit steten Seufzern diejenige, die das Wort voll Gnade und Wahrheit empfangen, an, sich doch zu würdigen, seine Fürsprecherin zu werden.“[9] Hier kleidete er die ersten Gefährten ein, hier empfing die hl. Klara ihr Büßergewand. Dies war auch der Ort, wo er die jährlichen sogenannten Kapitel, das sind Ordenstreffen, veranstaltete.
Loblieder zur Himmelsmutter
Der hl. Franziskus war grundsätzlich ein großer Beter. „Ganze Nächte brachte er im Lobe Gottes und der glorreichen Jungfrau zu.“[10] Er dichtet selbst eigene marianische Gebet und Hymnen. Überliefert sind eine Antiphon, welche in seinem eigens verfassten Passionsoffizium gebetet wird, und der sogenannte Gruß an die selige Jungfrau Maria. In der Antiphon betete er:
„Heilige Jungfrau Maria,
unter den Frauen in der Welt ist keine dir ähnlich geboren,
Tochter und Magd des erhabenen höchsten Königs, des himmlischen Vaters,
Mutter unseres heiligsten Herrn Jesus Christus,
Braut des Heiligen Geistes:
Bitte für uns
mit dem heiligen Erzengel Michael
und allen Mächten des Himmels und allen Heiligen
bei deinem heiligen, geliebten Sohn, Herrn und Meister.“[11]
Der Gruß an die selige Jungfrau Maria erinnert sehr an die Lauretanische Litanei und den wunderschönen, sogenannten Hymnos Akathisos des Ostens. Ersteres ist offiziell im 16. Jahrhundert in Loreto bezeugt, der Letztere wurde laut dem dominikanischen Gelehrten Meersseman, erstmals 625 in Konstantinopel öffentlich gesungen.[12] Hier der Wortlaut des Grußes des hl. Franziskus:
„Sei gegrüßt, heilige Herrin, heiligste Königin, Gottesgebärerin Maria!
Du bist allzeit Jungfrau, erkoren vom hochheiligen Vater im Himmel!
Dich hat er eingeweiht mit seinem heiligsten geliebten Sohne und dem Tröster Geist!
In dir war und ist die ganze Fülle der Gnade und alles Gute!
Sei gegrüßt, du sein Palast!
Sei gegrüßt, du sein Gezelt!
Sei gegrüßt, du seine Wohnstatt!
Sei gegrüßt, du sein Gewand!
Sei gegrüßt., du seine Magd!
Sei gegrüßt, du seine Mutter!
Seid gegrüßt, ihr heiligen Tugenden, die ihr durch des Heiligen Geistes Gnade und Erleuchtungen in die Herzen der Gläubigen gegossen werdet, um Gott aus Ungläubigen Gläubige zu machen!”[13]
Quellen:
[1] Siehe dazu: Reinhard Schneider, Schöpfung und Mensch im Mittelalter, Patrimonium Verlag, 2. erw. Aufl. 2017.
[2] Siehe: D. Berg u. L. Lehmann, Franziskus-Quellen, Butzon u. Becker Verlag Kevelar 2014.
[3] Schneider, ebd.
[4] Felizian Bessmer, Botschaft des hl. Franz an die Gegenwart – Päpstliche Kundgebungen über franziskanische Geistigkeit und Lebensform, Drittordenszentrale, Schwyz 1945, S. 21; 69 u. 77.
[5] Er sah die Schöpfung neu, sozusagen mit den Augen Gottes.
[6] = der kleine Arme: So wird der hl. Franziskus aufgrund seiner Armutsliebe oft genannt.
[7] Hilarin Felder O.F.M.Cap., Die Ideale des hl. Franziskus von Assisi, Verlag Ferdinand Schöning, Paderborn 1941, S. 405.
[8] = Kleines Stückchen Land. Das war die volkstümliche Bezeichnung des Kirchleins.
[9] Felder, ebd.
[10] Ebd., S. 407.
[11] Berg u. Lehmann, ebd., S. 18.
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Hymnos_Akathistos. Abgerufen am 30. Sept. 2023.
[13] Felder, ebd., S. 408.