Von Pater Peter Kasteleiner
Das erste Geheimnis von Fatima
Die Gottesmutter fordert in Fatima Gebet und Opfer für die Sünder, damit sie der Hölle entgehen (erstes Geheimnis). Die kirchliche Verkündigung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil übergeht entweder die Realität der Hölle und die Gefahr des ewigen Scheiterns für den Menschen, leugnet sie oder versichert, dass, wenn es denn eine Hölle gebe, niemand darin sei. Mit der göttlichen Güte sei eine ewige Höllenstrafe nicht vereinbar. Damit werden die Seelen in Sicherheit gewiegt. Warum sollte man mit der Sünde brechen, wenn alle Menschen gerettet werden? Und so ist das erste Geheimnis von Fatima aktueller und wichtiger denn je. Die erkannte Gefahr ist nur eine halbe Gefahr, die unerkannte eine ungleich gefährlichere. Und hier geht es um das Wichtigste, das Seelenheil.
Das zweite Geheimnis von Fatima
Maria fordert die Weihe Russlands durch den Hl. Vater, damit es seine Irrtümer nicht auf der Welt verbreitet. Dieses zweite Geheimnis hat die Gesellschaft im Blick. Das Heil der Menschen hängt stark vom gesellschaftlichen Umfeld ab. Es ist daher nicht belanglos, ob jemand in einer Gesellschaft lebt, die sich Dinge auf die Fahnen schreibt, die mit den Geboten Gottes nicht in Einklang stehen, oder ob man in einer Gesellschaft lebt, die von den Werten der christlich-abendländischen Kultur geprägt ist.
Die Gesellschaft heute
Um das zu verstehen, was heute in der Gesellschaft vor sich geht, lohnt es sich, einen Blick in die 60er- Jahre zu werfen. Dort sehen wir einerseits eine Ausbreitung des Rock und dann auch des Beat und Pop, also einer Musik, die enthemmt und die Leidenschaften aufwühlt. Dann kam die Einführung der „Anti-Baby-Pille“ 1960/1961, die schrankenlosen sexuellen Genuss ohne Verantwortung ermöglichte und einen dramatischen Einbruch der Geburtenrate verursachte. Des Weiteren ist die 68er-Bewegung zu nennen, geistig inspiriert von der sogenannten Frankfurter Schule, die bis heute weiter wirkt. Zu dieser Schule gehören Philosophen wie Horkheimer, Adorno, Macuse, Habermas etc. Zentrum war das Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt als erste Forschungsstätte für den „wissenschaftlichen Marxismus“.
Die Frankfurter Schule nahm dabei Gedanken von Antonio Gramsci (1891–1937), Chef der kommunistischen Partei in Italien, auf. Dieser hatte ein neues, tiefer gehendes kommunistisches Revolutionsmodell entwickelt, das den ganzen Menschen erfassen will, ihn in seinem Denken, seiner Mentalität, seiner Persönlichkeit, seinem Gewissen umstrukturieren will.
Der Kommunismus sowjetischer Prägung hatte durch seine Gewalttaten im Westen viele Sympathien eingebüßt. Gramsci wollte den Kommunismus an die Gegebenheiten der westlichen Welt angleichen. Dabei ging es ihm darum, die Herrschaft über die Kultur der Völker zu erlangen. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass man alle Mittel unter Kontrolle bringt, die das Denken, die Mentalität und das Sozialverhalten, das Gewissen der Bürger beeinflussen können (z.B. Schule, Medien).
Über die Frankfurter Schule wirken die Gedanken Gramscis in der 68er-Bewegung fort. Diese wurde in Deutschland besonders von der DDR aus gefördert und unterstützt.[1] Sie hat mittlerweile den „Marsch durch die Institutionen“, den sie sich vorgenommen hatte, vollendet und übt nun an den Schaltstellen von Presse, Funk und Fernsehen sowie in den Parlamenten für fast alle Parteien ihren Einfluss aus. Ja sie dringt sogar in die Kirche ein.
Bei der 68er-Bewegung handelt es sich um Kulturmarxismus mit vier grundlegenden Thesen:[2]
1. Gott ist eine falsche Hypothese.
Gott muss entthront werden, um den Menschen zu vergöttlichen. Die christlich-abendländische Kultur muss vollkommen zerstört werden. Es gibt keinen Schöpfer. Es gibt nur das Diesseits. Damit kann es auch keine absoluten Wahrheiten von allgemeiner Gültigkeit geben.
2. Der Mensch ist ein Produkt der Natur.
Er ist also nur ein höheres Säugetier, das triebgesteuert ist. Das Gewissen ist ausschließlich das Produkt kapitalistischer und patriarchalischer Gewaltverhältnisse. Der Mensch muss von der Last des Gewissens befreit werden. „Das Gewissen ist das Schandmal einer unfreien Gesellschaft“, so Adorno.[3] Der so entstehende neue Mensch soll sich nicht mehr mit Heimat, Familie und Religion identifizieren, sondern nur noch mit der sozialistischen Gesellschaft. Nach Habermas „verdankt [er] sich ganz dem gesellschaftlichen Kollektiv, er ist alles durch die Gesellschaft und alles für die Gesellschaft“.[4] Er hat also keine eigene Meinung mehr, sondern denkt wie die Gesellschaft. Diese Gesellschaft wird dann notwendig jene, die nicht die Meinung der Gesellschaft teilen, maßregeln.
3. Die Autorität und die Familie sind Ursachen des Faschismus.
Beide müssen zerstört werden durch Ehescheidung, Ehebruch, neue Familienbilder, Förderung der Homosexualität, Gender-Ideologie, Sexualaufklärung bzw. Frühsexualisierung, antiautoritäre Erziehung, „Gleichstellung aller“.
4. Die ganze bestehende gesellschaftliche Ordnung ist von Grund auf verkehrt.
Daher muss alles zerstört werden durch permanente Umerziehung der Massen, ohne dass sie es merken. Das erreicht man dadurch, dass man zunächst alle Mittel unter die eigene Kontrolle bringt, die das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen beeinflussen können.
Wir sehen das heute greifbar in der Gesellschaft, in den Medien, in der Schulbildung und auch darin, dass der Staat immer stärker reglementiert, und dies auch in Bereichen, die eigentlich dem freien Belieben bzw. der persönlichen Überzeugung der Staatsbürger anheimgestellt bleiben sollten. Wir sind noch weit entfernt von einer sozialistischen Staatsallmacht, aber einzelne Tendenzen scheinen sich abzuzeichnen, die in diese Richtung gehen. Insbesondere gibt es mehr und mehr Gesetze, die eine bestimmte Gesinnung bzw. Handlungsweise fördern sollen, ohne dass damit das Allgemeinwohl direkt gefördert wird. Es geht z. B. um die Förderung von Gesellschaftsgruppen, die angeblich benachteiligt sind. Bei behinderten oder von der Armut bedrohten Menschen ist dies natürlich nachvollziehbar, nicht aber, wenn es nur um eine spezielle Lebensweise geht.
Bei der Erscheinung der Gottesmutter am 13.7.1917 in Fatima sagte sie den Kindern, dass sie kommen werde, um die Weihe Russlands an ihr unbeflecktes Herz zu erbitten.
„Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren, und es wird Friede sein; wenn nicht, dann wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Verfolgungen der Kirche heraufbeschwören, die Guten werden gemartert werden und der Heilige Vater wird viel zu leiden haben. Am Ende aber wird mein unbeflecktes Herz triumphieren. Der hl. Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und eine Zeit des Friedens wird der Welt geschenkt werden.“[5]
Mit den Irrlehren Russlands ist also der atheistische Marxismus bzw. Kommunismus gemeint, nicht ausschließlich der sowjetische oder maoistische, sondern auch jener subtil getarnte, der die ganze westliche Welt mehr und mehr in Besitz zu nehmen trachtet.
Anmerkungen
[1] Vgl. zur 68er-Bewegung: KRAUS, Josef: 50 Jahre Umerziehung: Die 68er und ihre Hinterlassenschaften. 2. Aufl., Berlin 2018, v. a. S. 21–28.
[2] Vgl. hierzu: Mura, P. Gérard R.: Huber, P. Martin A.: Fatima – Rom – Moskau: Durch die Weihe Russlands zum Triumph Mariens. 1. Aufl., Sarto-Verlag, Stuttgart 2010, S. 76–84.
[3] ADORNO, Theodor: Negative Dialektik. Frankfurt (Main) 1966, S. 270.
[4] WILLEKE, Rudolf: Hintergründe der 68er-Kulturrevolution: Frankfurter Schule und Kritische Theorie. 5. Auflage, Abtsteinach/Odw. S. 13.
[5] KONDOR, Pater Luis SVD: Schwester Lucia spricht über Fatima: Erinnerungen der Schwester Lucia. Vice-Postulçāo de Francisco e Jacintha Marto : Fatima (PL), o. J., S. 176.
Quelle: fsspx.de