Nachstehend eine Betrachtung zum Fest Mariä Himmelfahrt, das am 15. August (dieses Jahr am Sonntag), gefeiert wird. Alle MI-Mitglieder können an diesem Tag einen vollkommenen Ablass gewinnen.
Bemerkung
Der Tod ist die Trennung von Leib und Seele. Wir betrachten daher zunächst den Heimgang der Seele Marias, bis sie sich wieder mit dem glorreich auferstehenden Leib vereinigt.
1. Ich habe ihn gefunden
Sobald die Seele der allerseligsten Jungfrau Maria von ihrem Leibe getrennt war, wurde sie auf den Händen ihres Sohnes vor das Angesicht des Vaters getragen. Er lohnte ihr auf diese Weise alle Dienste, die sie ihm als Mutter erwiesen hatte, da sie ihn auf Erden auf ihren Armen trug. Ein solcher Triumphzug erfüllte selbst die himmlischen Geister mit Staunen. Sie fragten sich mit Verwunderung: „Wer ist die, die so heraufsteigt aus der Wüste, von Wonne überfließend und auf ihren Geliebten gelehnt?” (H1 8,5)
Wer könnte das Übermaß der Freude begreifen, die Marias Seele durchströmte, als sie emporgetragen wurde in die höchsten Himmel. Alle Chöre der Geister jauchzten ihr zu. Sie wurde mit unendlicher Liebe von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit empfangen. Wie hat sie selbst ihrem Sohne entgegengejubelt: „Ich habe ihn gefunden, den meine Seele liebt, ich halte ihn und will ihn nimmer lassen” (Hl 3,4).
Das ist der selige Augenblick für dich, hochheilige Mutter, da du die Herrlichkeit dessen siehst, den du auf den Armen trugst, und an dessen Gottheit du unerschütterlich fest geglaubt hast. Teile nun sein Glück, da du auch sein Leiden mit ihm geteilt hast. Nun trennt dich auf ewig nichts mehr von dem, dem du auf Erden so nahe warst wie niemand sonst. Damit aber auch meine Seele beim Scheiden von ihrem Leibe ungehindert zum Herrn ihres Lebens findet, so erwirb mir die Gnade, heilige Mutter, alle Bande zu zerreißen, die mich an das Irdische fesseln. Lass mich hienieden nichts anderes lieben als Christus allein.
2. Leben, um Gott zu schauen
Um die Herrlichkeit der allerseligsten Jungfrau in ihrem Wesen zu begreifen, müsste man die Größe ihrer Verdienste begreifen. Man müsste imstande sein, die unermessliche Freigebigkeit Gottes ihr gegenüber zu erkennen. Wie sie dem demütigen Dienen auf Erden keine Schranken setzte, so hat auch ihr Lohn in der Ewigkeit keine Grenze. Ihr Verstand genießt die Anschauung Gottes auf außerordentliche Weise.
Sie ist von den Erleuchtungen der menschgewordenen Weisheit erfüllt. Ihr Wille ist von der reinsten und beseligendsten Liebe entflammt. So gilt von ihr das Wort Davids:
„Ich aber werde Dein Angesicht schauen in Gerechtigkeit; und einstens, wenn ich erwache, mich satt sehen an Deiner Gestalt” (Ps 16,15).
In welch unbegreifliches Meer der Freude wurde die Seele Marias versenkt. Wenn wir wenigstens eine Ahnung hätten von dem, was uns nach einem guten christlichen Leben bei Gott erwartet. Gott lässt nichts unbelohnt. Ja, das, was er uns schickt an opfervollen Dingen, ist wie eine Zulassung zu ehrenvollem Wettkampf, aus dem wir als Sieger hervorgehen sollen, um ewig gekrönt zu werden. Seien wir überzeugt, Gott vergisst nichts. Er wird uns alles belohnen.
Seine Rechnung stimmt genau. Er hat sein Wohlgefallen daran, Ströme des Friedens in jene Herzen zu gießen, die für ihn auf Erden geschlagen haben, deren größtes Vergnügen es in der Welt war, Gott zu gefallen.
Mein Gott, lass mich nach diesem Zustand streben. Das Leben ist nur deshalb hart und bitter, weil ich nicht ganz und gar für Dich lebe. Ich finde mich stets von einer großen Zahl von Geschöpfen umlagert, die mich gegen meinen Willen in Anspruch nehmen. Sie ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich und werfen Schlingen über mein Herz, sie maßen sich die Herrschaft über meine Liebe an, die doch Dir allein gebührt. Herrgott, mach mich frei. Herrsche Du allein in meiner Seele. Nimm sie in Deinen Besitz in der Zeit, damit sie auch Dein sei in der Ewigkeit.
3. Von Angesicht zu Angesicht
Tun wir noch einen Blick auf die heilige Jungfrau, da sie, auf den Thron erhoben, als Königin des Himmels gekrönt ist. Wie der Sohn zur Rechten des Vaters sitzt, weil ihm niemand an Herrlichkeit gleichkommt, so sitzt Maria zur Rechten des Sohnes, weil sie an Würde und Heiligkeit alle Engel und Heiligen überragt. Die Königin tritt Dir zur Rechten, mit Gold aus Ophir geschmückt (Ps 44,10).
Wie freut sich das kleine Menschenherz, Mutter Gottes, dich so über alle Chöre der Engel erhoben zu sehen. Wie bist du aufgestrahlt im Augenblick deiner Krönung, da der ewige Vater dir die Krone der Allmacht, der Sohn die Krone der Weisheit, der Heilige Geist die Krone der Liebe aufs Haupt setzte. So viele Tugenden du auf Erden geübt hast, so viele Sterne umstrahlen dich. Ich will dein Bild, Mutter im Himmel, immer vor Augen haben. Ich will den Reif an deiner Stirn betrachten, der da funkelt von den Edelsteinen deiner Tugenden. Ich will mich mit dem ganzen himmlischen Hofe vereinigen und dir in Freude huldigen. Während dir alle Heiligen und Auserwählten der Himmel ihre Kronen zu Füßen legen, schenke ich dir mein Herz. Ich bitte dich, halte es in deiner Hand. Behüte es. Dann bin ich sicher, auch dich einmal zu schauen von Angesicht zu Angesicht.
Quelle: Buch „Meditationen zum gesamten Kirchenjahr“ (S.855f.) von P. Ludwig de Ponte, herausgegeben von der Katholischen Jugendbewegung, Österreich.
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