Die Tugend der Buße

Die Tugend der Buße

Passend zur Passionszeit geben wir nachstehend den Artikel aus unserer letzten Ritter-Zeitschrift über die Tugend der Buße wieder: 

Zu Beginn des öffentlichen Wirkens Jesu ertönt der Ruf des hl. Johannes des Täufers: „Tut Buße, denn das Himmelreich hat sich genaht.“[1] Sowie am Eingang des Evangeliums, so ist die Buße auch das „Eingangstor zur Vollkommenheit“[2]. Doch was ist Buße?

Johannes der Täufer
Der hl. Johannes der Täufer, der große Büßer und Wegbereiter des Herrn

Klärung der Begriffe

Im Urtext von Matthäus 3,2 steht dazu der Begriff „Metanoia“, von meta = um und noein = denken, weshalb die neueren Übersetzungen den Begriff „Umkehr“ verwenden. „Die wahre Buße besteht nämlich nicht in der äußern Ablassung von den bisher begangenen Sünden, sondern in der Umwandlung des tiefsten Lebensgrundes, des nous [Geist]. Das ganze bisherige Sinnen und Trachten des Menschen muss ein anderes werden, sein Sinn und sein Herz d. i. sein Liebe muss sich umkehren und sich zurückwenden zu Gott, von welchem er durch die Sünde sich abgewendet hat.“[3] Der Begriff Buße (von bass = besser[4]) beinhaltet nach Joel 2,12 die drei Komponenten Lebensänderung, Reueschmerz und das Bestreben durch Bußwerke zu sühnen. Denn es heißt dort: „Von ganzem Herzen bekehret euch zu mir, mit Fasten, Weinen und Klagen.“ Die lateinischen Vulgata hat mehr den Sühneaspekt betont und daher den Begriff poenitentia von poena = Pein, Strafe, Sühne[5], verwendet, meint aber die anderen Aspekte mit. Der hl. Thomas v. Aquin definiert schlussendlich die Buße „als Schmerz über das Begangene mit der Absicht, die Folgen, nämlich Beleidigung Gottes und Strafe, zu entfernen“[6].

Franziskus
„Der Herr verlieh mir, Bruder Franziskus, also mit meiner Buße anzufangen“ (Testament des hl. Vaters Franziskus)

Noch ein Wort zum Begriff Sühne: In der Literatur werden manchmal die Begriffe nicht einheitlich verwendet. Dies, weil dieselben teilweise in sich mehrdeutig sind oder in verschiedenen Gesichtspunkten Anwendung finden. So wird „Buße tun“ und „Sühne leisten“ verschiedentlich synonym gebraucht. Allgemein kann man aber sagen, dass im Begriff „Buße“ die Reue und Umkehr enthalten ist, der Begriff „Sühne“, der in der „Buße“ enthalten ist, nur die Wiedergutmachung bedeutet. Wir können für andere wohl büßen, aber nicht bereuen, geschweige denn umkehren. „Buße für andere“ meint also nur den Aspekt der Sühne.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Die Sünde ist ein Vergehen gegen die Gerechtigkeit, da sie Gottes Ordnung und Ehre, die Liebe verletzt. Sie ist eine Beleidigung des Schöpfers und Erlösers. Dies erfordert Genugtuung, Wiederherstellung der Gerechtigkeit und Ordnung. Buße ist die adäquate Antwort darauf. Da, wie uns die Schrift belehrt, selbst der Gerechte sieben Mal am Tag fällt[7], und wir grundsätzlich immer dem Ideal hinterherlaufen, sollte unsere Buße zu einer Gesinnung d. h. inneren Haltung werden.

Grundvoraussetzungen

„Wer hat euch beigebracht, ihr könnt dem kommenden Zorngericht entgehen?“[8] So rief der Täufer den Pharisäern und Sadduzäern zu. Grundvoraussetzung ist erstens die Selbsterkenntnis. Man kann die Notwendigkeit und den Nutzen der Buße nur erfassen, wenn man eine entsprechend klare Vorstellung von der eigenen Sündhaftigkeit und der daraus resultierenden Schuld Gott gegenüber hat. Nicht von ungefähr stellen die Ignatianischen Exerzitien die Beschämung über die Sünden an den Eingang der Übungen und jede hl. Messe beginnt mit dem Schuldbekenntnis.

Aus dieser Selbsterkenntnis fließt zweitens dann die Reue, die darin besteht, Schmerz darüber zu empfinden, dass man Gott beleidigt hat, mit dem festen Willen, dies nicht mehr zu tun und Genugtuung zu leisten. Es scheint nun paradox zu sein, dass gerade bei den Heiligen, bei denen man am wenigsten Sünden vermutet, die Reue und die daraus folgende Buße viel stärker und umfassender ist. Dies liegt an ihrer größeren Gotteserkenntnis und Liebe. Nicht nur geht ihnen die Sünde mehr zu Herzen, sondern sie haben auch eine viel tiefere Einsicht über ihre eigene Schuldhaftigkeit und die Größe der einzelnen Verfehlungen. Daher leisten sie für lässliche Sünden und Unvollkommenheiten weit strengere Sühne als ein mittelmäßiger Christ für seine schweren Vergehen.

Drittens das Ausüben von Bußwerken. Hier unterscheidet man passive/aktive und innere/äußere Werke. Grundsätzlich kann man jeden Akt, der aus Liebe zu Gott getätigt wird, durch die Gesinnung, zu einem Werk der Buße machen, ja jeder solche Akt hat in sich schon eine gewisse schuldentilgende Wirkung. So sühnt ein innerer Akt der Liebe zu Gott schon viele Unvollkommenheiten.

Eine Unterscheidung, die noch zu machen ist, ist jene zwischen Bußwerk und Abtötung. Wenn man z. B. fastet: Ist das jetzt ein Werk der Buße oder der Abtötung? Nun, das hängt wesentlich von der Absicht ab. Man kann es aus diesem oder jenem Grund tun. Wobei natürlich die beiden Aspekte nicht so starr zu trennen sind, da die Abtötung sühnende Wirkung hat und die Buße der Abtötung hilft. Es ist also irgendwie immer beides, aber die Gewichtung gibt den Ausschlag.[9] Je weiter man in der Vollkommenheit fortschreitet, desto einfacher wird auch das Innenleben. Die vielen Absichten vereinen sich in der Hauptausrichtung der Liebe und des Willens Gottes, was aber einzelne Nebenabsichten, als Ausfluss der Hauptabsicht, nicht ausschließt.

Maria Magdalena
Die hl. Maria Magdalena, die der Legende nach in Südfrankreich einige Jahre als Büßerin in einer Höhle lebte

Umsetzung

Wir haben oben von passiver und aktiver Buße gesprochen. Passiv ist die Buße dann, wenn man widrige Umstände und Ereignisse, welche nicht von einem selbst abhängen, im Sinne der Buße willig annimmt und aufopfert. Denn durch die Sündhaftigkeit hat man es nicht besser verdient. Diese Grundhaltung bildet das Tor, um beim oben erwähnten Bild zu bleiben, zum neuen Jahr, das wir dann im eindrücklichen Rorate besingen:

Wir haben gesündigt und sind unrein geworden
und sind gefallen wie ein Blatt,
und unsere Missetaten haben uns wie der Wind fortgetragen.
du hast dein Antlitz verborgen vor uns
und uns zerschmettert durch die Wucht unserer Schuld.

Aktiv meint die freiwillige Ausführung von Sühneleistungen, indem man z. B. einmalig oder eine Zeit lang (die großen Büßer haben es teilweise für immer getan) auf Angenehmes verzichtet (keinen Zucker in den Tee, keinen Kaffee, Süßgetränke oder Alkohol trinken, Dessert oder Fleisch weglassen, Nahrung nicht würzen, Fasten bei Wasser und Brot, Unterhaltungsmedienverzicht, Heizung nicht so hoch oder gar nicht einschalten usw.). Nebst dem Verzicht kann man sich auch Dinge auferlegen wie früheres Aufstehen, Werke der Nächstenliebe, wo es angebracht ist zu schweigen statt zu reden, Besuch von hl. Messe und Sühneandachten, knien statt sitzen beim Beten auch wenn man müde ist; und nicht zu vergessen, das Bußwerk par Exellence – die öftere hl. Beichte. Zimmermann rechnet u. a. noch zu den gewöhnlichen[10] Bußwerken die maßvolle Geißelung, welche auch der hl. Franz v. Sales und viele andere Heilige empfehlen oder das Tragen eines Ciliziums (Bußgürtel).

Bis hierher haben wir von den äußeren Werken gesprochen. Innere Werke sind z. B.  bewusst wohlwollende Gedanken hegen gegenüber unsympathischen oder feindlich gesinnten Personen oder speziell für sie beten.

Basilius der Grosse
Hl. Basilius der Große

Nachahmung der Heiligen

Die Liebe ist erfinderisch und jeder kann und soll für sich, in seiner Situation und seinen Verhältnissen herausfinden, was er tun kann. Hier stellt sich die Frage, ob und inwiefern die Nachahmung der Bußwerke der Heiligen angebracht ist. „Die körperliche Buße ist, wie andere aktive Bußen, nicht bloß lobenswert, sondern sie gilt, wo sie möglich ist, auch als notwendig.“[11] Wenn die hl. Kirche uns die Heiligen als Vorbild vor Augen stellt, so tut sie das auch bezüglich ihres Bußgeistes, wie wir es in den Texten der Liturgie entnehmen können. Daher gilt: „Es ist allen Christen zu raten, dass sie die Bußübungen der Heiligen nach Möglichkeit nachahmen …“[12] Aber, so wird vielleicht eingewendet, heute sind doch die Menschen nicht mehr so belastbar wegen des „Rückgangs an physischer, insbesondere an Nervenkraft“[13]. Nun, es war immer Grundsatz, dass die Nachahmung der Heiligen in den Bußwerken und Abtötungen „der christlichen Klugheit entsprechen“[14] muss. Der hl. Basilius sagte schon: „Die Buße soll in der Weise geübt werden, wie sie den körperlichen Kräften entspricht.“[15] Der genannte Einwand besagt nur, dass man gegebenenfalls „die Form ändere“[16]. „Für verweichlichte und Gesundheitsskrupulanten sind diese Worte allerdings nicht geschrieben … sondern für jene die im Gegenteil zu übermäßiger körperlicher Bußstrenge hinneigen.“[17] Jeder muss für sich herausfinden, was ihm entspricht. Die Erfahrung ist da ein guter Lehrmeister. Übrigens wird sich der Körper mit der Zeit auch an eine gewisse Strenge gewöhnen und die Gnade kann uns zu höherem befähigen. Gewöhnlich neigt der Mensch doch eher zum bequemeren Weg, vor allem in der heutigen verwöhnten Gesellschaft. Von daher sollte man nicht allzu ängstlich sein. Ausschlaggebend ist auch die innere Anregung des Hl. Geistes und die Absprache mit dem Beichtvater. Gewöhnliche Bußwerke unterliegen der Eigenverantwortung. Außergewöhnliche Bußwerke sollten vom Priester auf den Geistesursprung geprüft werden, der dann auch die inneren (Fortschritt im inneren Leben, Gesundheit) und äußeren Umstände (Berufspflichten, Umfeld) des Pönitenten in die Waagschale wirft.

Paulus von Theben
Der hl. Paulus von Theben Geboren um 228 in Ägypten ist er der erste namentlich bekannte Einsiedler und Büßer in derthebäischen Wüste

Buße im Zeitgeschehen

Die Hl. Schrift kennt nicht nur die Privatbuße des Einzelnen, sondern auch diejenige der Gemeinschaften. So ordnete der König von Ninive die öffentliche Buße für die ganze Stadt an, worauf sich Gott ihrer erbarmte[18]. Die Geschichte lehrt, dass in früheren Zeiten bei Seuchen, Kriegen oder auch Profanierungen von Kultorten, der Klerus mit dem gläubigen Volk Bußprozessionen und Sühneandachten verrichtete. Dass dies heute z. B. in Zeiten von Corona, sofern es möglich ist und von Ausnahmen abgesehen, praktisch kaum oder nicht stattfindet, ist umso bedenklicher. Auch hier gilt es den Bußgeist neu zu entfachen, und es sollte für einen Katholiken in schweren Zeiten selbstverständlich sein, nach Möglichkeit an solchen öffentlichen Bußveranstaltungen teilzunehmen. Dies umso mehr, als die Immaculata immer wieder zur Buße aufruft, wie zum Beispiel in Lourdes oder Fatima.

Autor: Jakob Schweizer

Quelle: Ritter-Zeitschrift Ausgabe 1/2021, Seite 9ff

 

[1]          Mt 3,2 (deutsche Übersetzung n. d. Vulgata von Arndt).
[2]          Otto Zimmermann, Lehrbuch der Aszetik, Freiburg i. Br. 1929, S. 122.
[3]          August Bisping, Erklärung des Evangeliums nach Matthäus, Münster 1864, S. 85f.
[4]          Wetzer und Welte’s Kirchenlexikon, Freiburg i. Br. 1883, 2. Bd., S. 1590, Stichwort „Buße“.
[5]          Hermann Menge, Langenscheidt Taschenwörterbuch Latein, Berlin-München-Wien 2006, S. 401, Begriff „poena“.
[6]          Otto Zimmermann, S. 121.
[7]          Spr 24,16.
[8]          Mt 3,7.
[9]          Vgl. Max Huber, Die Nachahmung der Heiligen, Freiburg i. Br. 1912, Bd. 2, S. 160.
[10]        S. 129.
[11]        Otto Zimmermann, S. 130.
[12]        Max Huber, S. 162.
[13]        Otto Zimmermann, S. 131
[14]        Max Huber, S. 184.
[15]        Ebd., S. 185.
[16]        Otto Zimmermann, ebd.
[17]        Max Huber, ebd., S. 188.
[18]        Siehe das Buch Jona.

Drucke diesen Beitrag