Was feiert die Christenheit mit diesem Festtag zu Ehren der Himmelskönigin – einem Festtag, den die Mutter Kirche so hoch einschätzt, dass er in der Liturgie sogar einen Sonntag im Advent verdrängt, wenn dieser Festtag, der 8. Dezember, auf den Sonntag fällt.
Die feierliche Verkündigung des Dogmas durch Papst Pius IX.
Feierlich wurde das Dogma der Unbefleckten Empfängnis von Papst Pius IX. mit der Bulle „Ineffabilis Deus“ auf der Piazza di Spagna am 8. Dezember 1854 verkündet:
„Zur Ehre der Heiligen und ungeteilten Dreifaltigkeit, zur Zierde und Verherrlichung der jungfräulichen Gottesgebärerin, zur Erhöhung des katholischen Glaubens und zum Wachstum der christlichen Religion erklären, verkünden und bestimmen wir in Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus, der seligen Apostel Petrus und Paulus und in unserer eigenen:
Die Lehre, dass die seligste Jungfrau Maria im ersten Augenblick ihrer Empfängnis durch einzigartiges Gnadengeschenk und Vorrecht des allmächtigen Gottes, im Hinblick auf die Verdienste Christi Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechts, von jedem Fehl der Erbsünde rein bewahrt blieb, ist von Gott geoffenbart und deshalb von allen Gläubigen fest und standhaft zu glauben.
Wenn sich deshalb jemand, was Gott verhüte, anmaßt, anders zu denken, als es von uns bestimmt wurde, so soll er klar wissen, dass er durch eigenen Urteilsspruch verurteilt ist, dass er an seinem Glauben Schiffbruch litt und von der Einheit der Kirche abfiel, ferner, dass er sich ohne weiteres die rechtlich festgesetzten Strafen zuzieht, wenn er in Wort oder Schrift oder sonst wie seine Auffassung äußerlich kundzugeben wagt.“[1]
In der gesamten Menschheitsgeschichte ist Maria der einzige Mensch, das einzige menschliche Geschöpf, das von sich behaupten kann, ohne Sünde zu sein. Sie hat weder in ihrem Leben je eine Sünde – und wäre es auch die geringste – begangen (persönliche Schuld), noch war sie mit dem Makel der Erbsünde (Erbschuld) empfangen. Sie war also als einziger Mensch schon am Beginn ihres Lebens, bei ihrer Empfängnis im Schoss ihrer Mutter Anna eine einzigartig begnadete Freundin Gottes, Tochter des ewigen Vaters, erfüllt mit Gnade, voll der Gnade und das natürlich im Hinblick auf ihre wunderbare Erwählung als Braut des Heiligen Geistes, Gottesmutter zu werden.
Im Festgeheimnis der Unbefleckten Empfängnis geht es um das vollkommene Freisein vom Makel der Erbsünde.[2]
Wenn ein Papst ein Dogma verkündet, so fällt dieses nicht vom Himmel. Er kann nur verkünden, was in der Kirche schon immer geglaubt wurde. Alle bis dahin noch denkbaren Einwände verlieren mit der Proklamation des Dogmas ihre Berechtigung und wollte man an der Leugnung dieses Glaubenssatzes festhalten, würde man aufhören katholisch zu sein. Wie viele Heilige, Kirchenväter, Kirchenlehrer und Theologen schon in früheren Jahrhunderten die Unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter vertreten haben, dazu lohnt es sich das Buch „Die Herrlichkeiten Mariens“ vom hl. Alphons Maria von Ligouri zu lesen. Er führt wunderbar aus, wie viele Heilige, Kirchenväter und große Männer der Kirche dieses einzigartige Privileg der Heiligen Jungfrau schon in früheren Jahrhunderten vertreten haben.
Berühmt geworden sind jene Worte des hl. Duns Scotus (gestorben im Jahre 1308): „decuit, potuit, ergo fecit“ (auf Deutsch: „Es ziemte sich, er konnte, also hat er es gemacht“), womit er die Unbefleckte Empfängnis unserer himmlischen Mutter begründete. Dies will besagen, es ziemte sich (decuit), dass Gott seinem Sohn eine makellose unbefleckte Wohnung schaffte, in seiner Allmacht konnte er dies (potuit), also hat er es getan (fecit).
Die Folgen der Sünde unserer Stammeltern
Warum dieses außerordentliche Privileg so hoch zu schätzen ist und warum es uns mit großer Freude erfüllen soll, können wir erst erahnen, wenn wir wissen, was es mit der Erbsünde auf sich hat.
Denn mit diesem Privileg ist natürlich auch ihre universale Mittlerschaft verbunden, ihre Macht, dem Satan den Kopf zu zertreten, alle Häresien zu überwinden und alle ihre treuen Kinder sicher in den Hafen des Heils und der ewigen Herrlichkeit zu führen. In Fatima wird Maria zu Lucia sagen: Fürchte dich nicht! Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, der dich zu Gott führt.
Kommen wir aber nun zu den Folgen der Sünde unserer Stammeltern und betrachten wir unsere Lage, in der wir Kinder Evas in diesem Tale der Tränen sind, belastet mit persönlichen Sünden und jenem Makel der Erbschuld:
Als Gott Adam und Eva erschuf, waren diese frei von jeglichem Makel, denn Gott hat alles gut gemacht.[3] Er kann nichts Schlechtes, Unvollkommenes erschaffen. Adam und Eva lebten im Paradies und in der Freundschaft mit Gott. Sie konnten mit ihm sprechen. Sie lebten, wie es die Theologie ausdrückt, im Stand der heiligmachenden Gnade. Diese war (und ist) gleichsam das Hochzeitskleid[4], mit dem sie dereinst direkt in die beseligende Anschauung Gottes gelangt wären, hätten sie Gottes Gebot nicht übertreten. Alle ihre geistigen, seelischen und körperlichen Kräfte waren vollkommen geordnet. In ihrem Denken und Handeln waren sie so rein, dass auch Nacktheit sie nicht verwirrt oder eine ungeordnete Begierde geweckt hätte. Noch war ihr ganzes Leben auf die Verherrlichung Gottes ausgerichtet.
Doch sollten unsere Stammeltern eine Prüfung bestehen, so wie auch die Engel geprüft wurden. Und bekanntlich hat sich eine große Zahl von Engeln und deren Anführer Lucifer gegen Gott gestellt. Diese haben ihren Platz im Himmel verloren und wurden in die Hölle gestürzt.
Nachdem aber auch unsere Stammeltern die Prüfung nicht bestanden, und von der Schlange verführt vom verbotenen Baum gegessen haben, war nichts mehr wie vordem.
Für den übernatürlichen Bereich galt nun: Durch eigene Bosheit und ihre Einwilligung in die dämonische Einflüsterung „Ihr werdet sein wie Gott“ (1 Mos3,5) verloren sie die heiligmachende Gnade, dieses Hochzeitskleid, das sie als Kinder Gottes und Erben des Himmels ausgewiesen hatte.
Aber auch im natürlichen Bereich waren die Folgen schrecklich. Die menschliche Natur war verwundet, der Verstand verdunkelt, der Wille schwach und zum Bösen geneigt, die Triebe und Leidenschaften im Aufruhr gegen das eigene Ich. Adam und Eva mussten das Paradies verlassen und es würde sich die Verheißung erfüllen, dass sie sterben müssten. Mit der Sünde kamen der Tod, Krankheit, Mühsal und Plage in die Welt. Die Frau sollte ihre Kinder in Schmerzen gebären, der Mann sollte in mühseliger Arbeit im Schweiße seines Angesichts Acker und Feld bearbeiten und sein Brot verdienen. Schon mit Kain und Abel sollte es zum ersten Brudermord kommen. Bis auf den heutigen Tag leidet die Menschheit unter Krieg, Naturkatastrophen[5], Seuchen, Hungersnot und einem unabänderlichen Todeslos. Ohne die Gnadenhilfe Gottes findet sich die Menschheit heute in einem unerhörten Sumpf von Schamlosigkeit und Unzucht – selbst Missbrauch von Kindern – und in den Krallen schrankenloser Habsucht und ungezügeltem Machtstreben und einem offenen Kampf gegen die Schöpfungsordnung Gottes.
Doch Gott hat in seiner Barmherzigkeit und Liebe mit dem gefallenen Menschengeschlecht schon bei der Vertreibung aus dem Paradies einen Erlöser verheißen. So heißt es in Gen 3,15, wo Gott zur Schlange spricht: «Feindschaft will ich setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Sie wird dir den Kopf zertreten und du wirst ihrer Ferse nachstellen.»
In der Kirche wird Maria[6] schon seit jeher (explizit durch den hl. Irenäus von Lyon, gest. 202n. Chr.) als die neue Eva gesehen, die von Gott die Macht erhalten hat, durch die Freiheit von jeglichem Makel der Sünde, dem Satan den Kopf zu zertreten. Denn über sie hatte (und wird niemals haben) der Todfeind des Menschengeschlechts niemals Macht. Selbstverständlich stammt alle ihre Gnadenfülle und Macht von ihrem Sohn, der durch seinen Tod am Kreuz uns Erlösung und Befreiung von Schuld und Sünde verdient und mit dem himmlischen Vater versöhnt hat.
Seit dem Kommen unseres Erlösers wird die Erbschuld durch die Taufe getilgt und wir werden wieder zu Kindern Gottes. Doch bleiben in uns die Folgen der Erbsünde, die Last von Krankheit und Mühsal, unsere Begierlichkeit, unsere Neigung zum Bösen, unser verdunkelter Verstand, der es notwendig macht, dass wir in diesem Tränental einen beständigen Kampf gegen unsere verwundete Natur und auch gegen die Versuchungen des Teufels führen müssen.[7]
Der Makel der Erbsünde
Da unsere Stammeltern die Freundschaft mit Gott verloren hatten, das hochzeitliche Kleid – die heiligmachende Gnade – nicht mehr besaßen, konnten sie demnach auch nicht weitergeben, was sie selbst nicht mehr besaßen. So werden wir nun geboren, ohne Kinder Gottes und Erben des Himmels zu sein. Vielmehr stehen wir unter dem Einfluss des Teufels, des Widersachers Gottes und des Feindes des Menschengeschlechts.
Erst die Taufe schenkt uns die Gnade wieder, sodass wir erst durch dieses Sakrament wieder zu Kindern Gottes werden. Darum ist es verständlich, wenn in früheren Jahrhunderten die Angehörigen ein Neugeborenes oft noch am Tage der Geburt in die Kirche nahmen, um es taufen zu lassen, um es zu einem Kind Gottes zu machen. Wenn ein getauftes Kind[8], das noch nicht das Vernunftalter erreicht hatte, starb, so hat die Kirche in den vergangenen Jahrhunderten eine Engelsmesse[9] gelesen und kein Requiem, denn es war klar, dass es unmittelbar in die Anschauung und Herrlichkeit Gottes eingegangen ist, der Makel der Erbsünde durch die Taufe abgewaschen und damit mit dem hochzeitlichen Gewand der Gnade bekleidet und natürlich frei von persönlicher Sünde.
Anhang: Gebet des hl. Alphons Maria von Ligouri
(aus dem Buch „Die Herrlichkeiten Mariens“ S.267[10])
O meine Unbefleckte Herrin‚ ich freue mich mit dir, mit solcher Reinheit dich ausgestattet zu erblicken. Ich danke und will immer Dank sagen unserem Schöpfer, dass er dich vor jeder Makel der Schuld bewahrte. Ich bin fest davon überzeugt und bin bereit und schwöre, für dieses so erhabene und ganz einzige Vorrecht deiner Unbefleckten Empfängnis selbst mein Leben, so es gefordert würde, hinzugeben.
Ich wünschte, dass die ganze Welt dich erkenne und bekenne als die schöne Morgenröte, immer geschmückt mit dem göttlichen Licht, als die auserlesene Arche des Heiles, die vor dem allgemeinen Schiffbruch der Sünde bewahrt blieb, als jene vollkommene und unbefleckte Taube, für welche dein göttlicher Bräutigam dich erklärte, als den verschlossenen Garten der Wonne Gottes, als die versiegelte Quelle, wohin nie der Feind, sie zu trüben, gedrungen ist, endlich als die weiße Lilie, die du allein unter den Dornen der Adamskinder, die alle schuldbefleckt und in Feindschaft Gottes geboren werden, ganz rein, ganz strahlend weiß als Freundin deines Schöpfers geboren bist.
Gestatte, dass ich dich lobe in den Worten deines Gottes, „ganz schön bist du und kein Makel ist in dir“.
O reinste Taube, ganz weiß, ganz schön, immerwährende Freundin Gottes! O wie schön bist du, meine Freundin, wie schön bist du. Ach süßeste, liebenswürdigste, Unbefleckte Jungfrau Maria, so schön in den Augen deines Herrn. Verschmähe nicht, mit deinen barmherzigen Augen die hässlichen Wunden meiner Seele anzuschauen. Siehe mich an, erbarme dich meiner und heile mich!
O schöner Magnet der Herzen, ziehe auch mein elendes Herz zu dir! Du bist vom ersten Augenblick des Lebens so rein und schön vor Gott, erbarme dich meiner, der ich in Sünde geboren, auch nach der Taufe noch meine Seele mit Schuld befleckt habe.
Der dreieinige Gott, der dich zur Tochter, Mutter und Braut erkor, vor jedem Makel dich bewahrte, in seiner Liebe allen Geschöpfen dich vorzog, welche Gnade wird er dir verweigern? Unbefleckte Jungfrau, du hast mich zu retten, rufe ich mit dem heiligen Philipp Neri. Bewirke, dass ich deiner stets gedenke, und vergiss meiner nicht!
Mir ist es wie tausend Jahre, bis ich zum Anblick deiner Schönheit ins Paradies gelangen darf, um dich ewig zu lobe und zu lieben, meine Mutter, meine Königin, meine Geliebte, schönste, süsseste, reinste, Unbefleckte Maria. Amen.
Textquellen und Verweise:
[1] https://katholisches.info/2014/12/08/tota-pulchra-es-maria/
[2] https://katholisches.info/2014/02/24/vom-episkopalen-pastor-zum-katholischen-priester-bekehrung-durch-die-unbefleckte-empfaengnis/
[3] Im Schöpfungsbericht aus der Genesis heisst es dann im Anschluss an die Erschaffung des Menschen. «Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und es war sehr gut.» (Gen 1,31)
[4] Im Gleichnis vom König, der seinem Sohne Hochzeit hielt, zeigt sich, dass die Geladenen nicht würdig waren. Und der König fordert nun seine Diener auf, an den Wegen und Strassen alle einzuladen, denen sie begegneten. Im Hochzeitssaal mustert dann der König seine Gäste. Dabei trifft er auf einen, der kein hochzeitliches Gewand hat. Er befiehlt den Dienern, diesen an Händen und Füssen zu binden und in die Finsternis hinauszuwerfen, wo Heulen und Zähneknirschen herrscht. (Mt 22,1ff)
[5] Auch die (vernunftlose) Schöpfung war durch den Frevel der Sünde in Mitleidenschaft gezogen.
[6] In seinem Goldenen Buch führt der Heilige Ludwig Maria Grignon von Montfort den ergreifend schönen, tröstenden und gewaltigen Gedanken aus, dass Satan in einer gewissen Weise Maria mehr fürchtet als Gott, weil die Demütigung und Schande, von einer einfachen Magd besiegt zu werden, ihn in seinem Stolz noch mehr trifft, als wenn Gott selbst ihn besiegt.
[7] Würde die Taufe auch die Folgen der Erbsünde tilgen, sodass wir ohne Mühsal, Krankheit und dem drückenden Los unseres Todes leben könnten, so würden viele, ja die meisten Menschen sich nicht aus Liebe zu Gott taufen lassen, sondern aufgrund der offensichtlichen Vorteile. Indem wir in dieser Welt einen Kreuzweg gehen müssen, wird unser Glaube auf Standhaftigkeit geprüft und wir zeigen, dass wir aus aufrichtiger Liebe zu unserem Gott und Heiland handeln, so wie er ja selbst den Kreuzweg uns vorausgegangen ist.
[8] Was mit einem ungetauften Kind passiert, ist zwar nicht dogmatisiert, doch war die vorherrschende theologische Ansicht in der Kirche die Lehre über den Limbus. An diesen kamen die ungetauften Kinder. Dort mussten sie keinerlei Strafe erleiden, denn sie hatten ja keinerlei persönliche Schuld. Sie können dort eine natürliche Glückseligkeit geniessen, leben aber nicht in der übernatürlichen Anschauung Gottes. Somit ist es von den zuständigen Personen ein schweres Versäumnis, einem solchen unschuldigen Wesen die Taufe vorzuenthalten.
[9] Heute nach der Liturgiereform scheint das anders zu sein, wie Pater Recktenwald in einem beeindruckende Artikel in Summorum ponitficum ausführt: https://summorum-pontificum.de/cont_articles/25/m11/01_santo-subito.html
[10] Der heilige Alphons Maria von Ligouri schrieb diese Zeilen 100 Jahre vor der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis
Bildquellen:
- Bartolomé Esteban Murillo, Public domain, via Wikimedia Commons
- Fabrizio Garrisi, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
- Adam und Eva, Benjamin West, Public domain, via Wikimedia Commons






