„Ich muss ein Heiliger sein, der größtmögliche Heilige“ – schrieb der heilige Maximilian in seiner „Lebensregel“ während der Exerzitien im Februar 1920. Er pflegte diese jeden Monat zu lesen.
Wenn Jesus gekommen ist, um alle zu heiligen, wenn es Gottes Wille ist, dass „alle heilig werden“, dann kann die Heiligkeit nicht in außergewöhnlichen Gaben der Natur und der Gnade bestehen, die allein von der Freigebigkeit Gottes abhängen. Heiligkeit muss daher in etwas bestehen, das alle Seelen guten Willens, auch die einfachsten und bescheidensten, durch göttlichen Beistand erlangen können. Heiligkeit ist die Vollkommenheit des christlichen Lebens. Sie ist die volle Entfaltung des übernatürlichen Lebens in uns, dessen Anfänge die heiligmachende Gnade, die eingegossenen Tugenden und die Gaben des Heiligen Geistes sind. Die Taufe hat diesen Samen der Heiligkeit, der Gnade ist, in uns angelegt, einen Samen, der für die Seele, die ihn eifrig pflegt, zu kostbaren Früchten des übernatürlichen und ewigen Lebens erblühen kann. „Opfere dich ihr, die unsere himmlische gute Mutter ist, ganz auf, und auf diese Weise kannst du leicht alle Schwierigkeiten überwinden und … ein Heiliger, ein großer Heiliger werden: Das ist das Einzige, was ich dir von ganzem Herzen wünsche. Man kann sagen, dass alle Heiligen das Werk der heiligen Jungfrau sind und, dass die besondere Hingabe an sie eines ihrer gemeinsamen Merkmale ist.“ – schrieb der hl. Maximilian 1918 an seinen Bruder.
Indem die Gnade uns zum übernatürlichen Zustand erhebt, macht sie uns fähig, mit der Heiligsten Dreifaltigkeit in Beziehung zu treten, das heißt, Gott zu erkennen und zu lieben, wie er in sich selbst ist, wie er sich selbst kennt und liebt. Die Gnade bringt also ein neues Leben der Erkenntnis und der Liebe in uns hervor und nährt es, ein Leben, das eine Teilhabe am göttlichen Leben ist. Was könnte heiliger oder heiligender sein als diese innige Beziehung zur Heiligsten Dreifaltigkeit?
Dieses übernatürliche Leben, das aus der Gnade hervorgeht, muss unser ganzes menschliches Leben so durchdringen, dass dieses in allen seinen Tätigkeiten, in jeder Einzelheit und in seiner Gesamtheit übernatürlich wird. In dem Maße als die Gnade in unserer Seele wächst und gedeiht, kann sie immer tiefer wirken; und wenn dieser Einfluss sich wirksam auf alle unsere Handlungen ausdehnt, diese allein auf Gottes Ehre ausrichtet und uns durch die Liebe ganz mit ihm vereint, dann haben wir die Fülle des christlichen Lebens, die Heiligkeit, erreicht.
„Wenn es Dir gelingt, das zu erreichen, was Du Dir vorgenommen hast, dann wirst Du in kurzer Zeit ein Heiliger sein! Es ist der Weg in die Unendlichkeit und wird nie enden, daher: ‘Wer heilig ist. Er soll heilig bleiben’ (Offb 22,11); aber je mehr man auf diesem Weg voranschreitet, desto deutlicher sieht man, wie lang der Weg ist, der noch zurückzulegen ist, und wie kurz der Weg, der bereits zurückgelegt wurde, im Vergleich zur Länge der Reise. Je schneller man läuft, desto mehr begreift man die Langsamkeit der jetzigen Stelle. Sei daher unermüdlich, als ob Du jedes Mal von vorne anfangen müsstest“ – schrieb der heilige Maximilian 1920 an seinen Mitbruder.
Die Gnade ist ein völlig unentgeltliches Geschenk, das uns von Gott durch die unendlichen Verdienste Jesu verliehen wurde. Er hat sie durch seinen Tod am Kreuz für uns verdient, und zwar nicht in einem begrenzten Maß, sondern im Übermaß.
Der heilige Johannes sagt, dass Jesus „voll der Gnade ist … und von seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade um Gnade“ (Joh 1,14.16). Das bedeutet jedoch nicht, dass wir alle zum gleichen Grad und zur gleichen Art von Heiligkeit berufen sind.
Neben denen, die wir die „großen“ Heiligen nennen, die eine besondere Mission zu erfüllen hatten und deshalb einzigartige Gaben der Natur und der Gnade erhielten, hat es immer auch die demütigen, verborgenen Heiligen gegeben, die in der Verborgenheit und im Schweigen geheiligt wurden. Die Heiligkeit besteht nicht in der Größe der vollbrachten Werke oder der empfangenen Gaben, sondern in dem Grad der heiligmachenden Gnade und der Nächstenliebe, zu dem die Seele durch die treue Übereinstimmung mit den Einladungen Gottes gelangt ist.
Auch ich kann diese Art von Heiligkeit anstreben, ohne Angst vor Unbesonnenheit oder Selbstbetrug.
Quelle: Englische Ausgabe der Ritter-Zeitschrift, Ausgabe Januar 2021 (Seite 9-13)