Liebe Ritter der Immaculata!
Nach einem längeren Unterbruch freut es mich, zum Jahrestag der Gründung der MI wieder ein paar Worte an Sie richten zu können. Heute vor 102 Jahren gründete der hl. Maximilian Kolbe die MI, weil er im geistigen Kampf, der sich vor seinen Augen abspielte, allein auf die Immaculata vertrauen wollte, auf die Siegerin in allen Schlachten Gottes. Seither hat sich dieser Kampf um die Seelen in Kirche und Welt immer mehr zugespitzt. Der Teufel scheint alle Kräfte zu mobilisieren, da ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, und es sieht nach einer überwältigenden Übermacht des Feindes aus.
Die Erfahrung, welche die Kirche über all die Jahrhunderte machte, bestätigte sich jedoch auch in den letzten hundert Jahren: Je größer die Not der Christenheit, desto näher ist die Himmelsmutter bei ihren Kinder auf Erden, um sie im Kampf anzuleiten, zu ermutigen und ihnen die richtigen Mittel zu geben. So gab es in den letzten 200 Jahren so viele anerkannte Marienerscheinungen wie noch nie zuvor, wobei eine Gemeinsamkeit auffällt: Die Himmelsmutter weckt ihre schlafenden Kinder, warnt sie vor dem Ernst der Lage und gibt ihnen zusammen mit der Andacht zu ihrem Unbefleckten Herzen den Rosenkranz als das „letzte Heilmittel“ (Fatima), als die „einzige Waffe, die den Gläubigen in den angekündigten Zeiten der Trübsal noch bleiben wird“ (Akita).
Der Rosenkranz ist nicht irgendein menschliches Gebet, sondern im Plan der göttlichen Vorsehung DIE Waffe des Himmels, welche die Gottesmutter dem hl. Dominikus anvertraute. Der Teufel versuchte durch alle Jahrhunderte den Glauben an den himmlischen Ursprung dieses Gebetes zu untergraben, alle Spuren zu verwischen. Der Rosenkranz soll nur als ein rein menschliches Gebet einiger „Betschwestern“ angesehen werden. Die Wahrheit über den himmlischen Ursprung wurde jedoch nicht nur von den Päpsten immer wieder betont, auch der Himmel offenbarte es verschiedenen Heiligen und „brannte“ die Wahrheit sogar für alle Zeiten in den Stein. In Las Lajas, Kolumbien, erschien die Gottesmutter 1754 und hinterließ ein lebensgroßes Bild auf einem Felsen, welches zeigt, wie sie dem hl. Dominikus den Rosenkranz übergibt.
Diese Waffe hat sich in der Geschichte der Christenheit immer wieder wunderbar bewährt, insbesondere in scheinbar aussichtslosen Situationen. Es ist die Waffe Davids, vergleichbar mit seiner Steinschleuder (Pius XII.). Ähnlich wie bei der Steinschleuder braucht es Demut und Gottvertrauen, um zum Rosenkranz als Waffe zu greifen, insbesondere in schwierigen Situationen.
Unser Patron, der heilige Maximilian, hat den Rosenkranz als das Schwert des Ritters bezeichnet. Die Päpste haben ihn oft die Waffe der Christenheit genannt. So etwa Papst Pius XI. in seiner Enzyklika Ingravescentibus Malis. Er nennt darin den Rosenkranz die mächtigste Waffe der Kirche, die mächtige Waffe zur Vertreibung teuflischer Mächte, zur Bewahrung eines heiligen Lebens, zur leichteren Erreichung der Tugend und schließlich als friedenstiftendes Mittel unter den Menschen.
Unzählige Gläubige, welche sich treu und eifrig an den Rosenkranz gehalten haben, haben selber erlebt, was uns in Fatima versprochen wurde: Dass dem Rosenkranz für diese letzten Zeiten eine neue Wirksamkeit gegeben wurde und es kein Problem gibt, das wir mit ihm nicht lösen könnten.
Eine Waffe, die oft benutzt wird, kann jedoch stumpf werden und bedarf der Pflege: Sie muss frisch geschärft werden. Viele von uns haben sicherlich die gute Gewohnheit, den Rosenkranz zu beten. Jedoch hat sich vielleicht unmerklich eine gewisse Routine eingeschlichen. Man betet ihn, weil es sich so gehört, zu wenig bewusst, mit zu wenig Vertrauen.
Vielleicht beten wir auch noch zu wenig eifrig: Wenn der heilige Ludwig und der hl. Maximilian vom Rosenkranz schreiben, meinen sie stets alle 15 Geheimnisse. Sonst schreiben sie von den fünf Geheimnissen des Rosenkranzes, oder von einem dritten Teil des Rosenkranzes. Der hl. Ludwig ermutigt selbst die Sünder, den ganzen Rosenkranz zu beten. Wenn sich in einem Kampf die Reihen lichten, ist es für den Sieg absolut notwendig, dass die noch verbleibenden Kräfte einen umso größeren Einsatz zeigen und den Wegfall so kompensieren. So sind wir aufgerufen, den Rosenkranz mit immer größerem Eifer und immer häufiger zu beten.
Aber nicht nur die Waffe kann Schaden leiden, auch die Kämpfer können schwach werden oder gar vom Geist des Feindes angesteckt werden. Papst Pius XI. schreibt in der besagten Enzyklika weiter:
„Mit dem marianischen Rosenkranz werden wir nicht nur die Gotteshasser und Feinde der Religion niederwerfen, dieses Gebet wird uns auch zu einem Streben nach den Tugenden des Evangeliums anspornen und uns dafür erwärmen. Es wird besonders den katholischen Glauben stärken; denn die Betrachtung der heiligen Geheimnisse erhebt den Geist zu den von Gott geoffenbarten Wahrheiten.
Es braucht nicht eigens darauf hingewiesen werden, wie heilsam dies in unseren Tagen ist, wo man oft eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Dingen des Geistes und ein bedauerliches Gelangweiltsein bei der Verkündigung der christlichen Lehre antrifft. Das Rosenkranzgebet wird sodann unsere Sehnsucht nach den unsterblichen Gütern stärken, und die Betrachtung der Herrlichkeit Christi und seiner Mutter im letzten Teil des Rosenkranzes wird uns den Himmel offen zeigen und uns so zur Erreichung des ewigen Vaterlandes anspornen.
Und während in den Herzen der Menschen eine entfesselte Sucht nach Dingen dieser Erde brennt, während sie täglich gieriger nach den hinfälligen Reichtümern und vergänglichen Vergnügungen streben, werden die Beter des Rosenkranzes zu den himmlischen Schätzen hingezogen, an ‚die kein Dieb sich wagt und die keine Motte verzehrt‘ und die beständig bleiben werden.
Wie sehr ist doch heute die Liebe in vielen kalt geworden und erloschen! Sollten nicht alle diese doch wieder zur Gegenliebe entzündet werden, wenn sie mitfühlend die Leiden und den Tod unseres Erlösers und die Betrübnis seiner schmerzhaften Mutter betrachten? Aus dieser Gottesliebe wird dann notwendig eine größere Liebe zum Nächsten folgen; denn das Erwägen dessen, was Christus der Herr an Mühen und Schmerzen erdulden musste, um allen die verlorene Kindschaft Gottes wiederzugeben, muss der Nächstenliebe einen mächtigen Auftrieb verleihen.“
Das kommende Jahr ist ein Jahr besonderer Jubiläen: Am 6. Mai wird die Militia Immaculatae der traditionellen Observanz den 20. Jahrestag ihrer Wiederbegründung nach den Originalstatuten unseres Gründers feiern dürfen. Ende Oktober 2020 wird die katholische Tradition in Lourdes das 50-jährige Bestehen der Priesterbruderschaft St. Pius X. feiern. So möchte ich für alle Ritter ein Jahr des Rosenkranzes vorschlagen. Vom heutigen Gründungstag der MI bis zur Jubiläumsfeier der Tradition in einem Jahr wollen wir das Rosenkranzgebet in der MI intensivieren.
Insbesondere wollen wir in diesem Jahr den Rosenkranz
- häufiger beten: Soweit es sich mit den Standespflichten vereinbaren lässt, wollen wir versuchen, häufiger den ganzen Rosenkranz (Psalter), also alle 15 Gesätze zu beten. Wir können dies umsetzen, indem wir neben dem einen Rosenkranz, den wir womöglich in der Gemeinschaft beten, untertags das eine oder andere Gesätz beten. Wer noch nicht die gute Gewohnheit hat, täglich den Rosenkranz zu beten, möge sich dies vornehmen.
- bewusster beten: indem wir immer eine besondere Intention mit dem Rosenkranz verknüpfen (im Laufe des Jahres wird der Generalobere uns besondere Intentionen ans Herz legen). So gleichen wir Rittern, die ihr Schwert gezielt einsetzen. Bewusster beten bedeutet auch, dass wir die Geheimnisse wirklich betrachten.
- mit mehr Vertrauen beten: Denken wir an die vielen Manifestationen der Macht dieses Gebetes und an die vielen Versprechen Unserer Lieben Frau. Lesen wir etwas über den Rosenkranz, um unsere Überzeugung zu stärken, bitten wir um ein großes Vertrauen.
- als Ritter der Immaculata in unserem Umfeld verbreiten und fördern. Es gibt dazu gute Flyer, Broschüren und Rosenkranzsets in diversen Sprachen, welche in den Sekretariaten der MI erhältlich sind.
- in den Rundbriefen und Zeitschriften der MI besonders thematisieren, um dieses Gebet in unseren Reihen zu vertiefen und zu einer neuen Blüte zu führen.
Es versteht sich von selbst, dass dies nur Anregungen sind, die an Ihre Großherzigkeit appellieren. Vergessen wir nicht: wir sind so heilig wie unsere Gewohnheiten! So möge es sich in diesem Jahr jeder Ritter zu Gewohnheit machen, stets einen Rosenkranz bei sich zu tragen und möglichst oft während des Tages von seiner Waffe Gebrauch zu machen.
Die Königin des heiligen Rosenkranzes möge uns für diese Vorsätze die nötigen Gnaden schenken und Sie alle in diesem Gnadenjahr reich segnen!
Mit meinem priesterlichen Segen
Warschau, 16. Oktober 2019
Ihr Pater Karl Stehlin