Vorbereitung auf 100 Jahre Fatima, Folge 3

Vorbereitung auf 100 Jahre Fatima, Folge 3

Von Pater Karl Stehlin

Sommer 1916 – Die zweite Erscheinung des Engels

97ef1f0669bdebed1861df13cde0f6e6 (Copy)Der Sommer in Portugal ist immer sehr heiß und während der Mittagszeit halten alle eine Siesta. So verbrachten die Kinder diese Zeit oft in der Nähe des Brunnens im Garten von Lucias Haus und spielten im Schatten der Bäume. Und dort überraschte sie der Engel ein zweites Mal und sprach:

„Was tut ihr da? Betet, betet viel! Die heiligsten Herzen Jesu und Mariens haben mit euch große Pläne des Erbarmens. Bringt dem Allerhöchsten ständig Gebet und Opfer dar.“

„Wie können wir Opfer bringen?“ fragte Lucia.

„Macht aus allem, was ihr könnt, ein Opfer und bringt es Gott dar zur Sühne für die Sünden durch die Er beleidigt wird und für die Bekehrung der Sünder. Auf diese Weise werdet ihr Frieden auf euer Land herabziehen. Ich bin sein Schutzengel, der Engel von Portugal. Vor allem, nehmt die Leiden an die der Herr euch senden wird und tragt sie mit Ergebung.“

  1. Lasst uns die wichtigen Worte des Engels betrachten:

  1. Die Heiligsten Herzen Jesu und Mariens

Bereits am Ende der ersten Erscheinung erwähnte der Engel: „Den Herzen Jesu und Mariens sind eure flehenden Bitten gefällig.“ Dieses Mal erklärt er: „Die Heiligsten Herzen Jesu und Mariens haben Pläne der Barmherzigkeit mit euch.“ Während der dritten Erscheinung (s. nächster Brief) lehrt er die Kinder den zweiten Teil des berühmten „Gebet des Engels von Fatima“ welches mit den Worten endet: „Durch die unendlichen Verdienste Seines Heiligsten Herzens und des unbefleckten Herzens Mariens bitte ich um die Bekehrung der armen Sünder.“

Diese Anspielung bringt uns zum Kern der großen Botschaft Unserer Lieben Frau. Offensichtlich musste der Himmel die Kinder für so eine wichtige Berufung vorbereiten, deshalb erwähnte der Engel in jeder Erscheinung die Herzen Jesu und Mariens.

Während der ersten Erscheinung beteten die Kinder zu Gott selbst, aber wer ist „aufmerksam“ für ihre Gebete und erhört sie? Die Herzen Jesu und Mariens.

Auf diese einfache Weise lernen wir wieder, dass es nur einen Weg zu Gott gibt: durch die Vermittlung der Herzen Jesu und Mariens. In dieser Erscheinung verkündet der Engel den Kindern ihre zukünftige Berufung, eine Geste der grenzenlosen Barmherzigkeit ihnen gegenüber. Die Aufgabe, die Gott uns in diesem Leben zu erfüllen gegeben hat, der „Plan“ der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, sein Heiliger Wille – noch einmal – erhalten wir nur durch die Vermittlung der heiligsten Herzen Jesu und Mariens.

Auch bei der dritten Erscheinung wird klar, dass die Gnade der Bekehrung der Armen Sünder nur „durch die unendlichen Verdienste des heiligsten Herzens Jesu und des unbefleckten Herzens Mariens“ kommt.

Man beachte, dass beim ersten Mal der Engel nur sagte „die Herzen…“, beim zweiten Mal genauer: „die heiligsten Herzen“ und beim dritten Mal machte er es völlig klar: „das heiligste Herz Jesu und das unbefleckte Herz Mariens.“

Auf diese Weise sind die Kinder – und nach ihnen wir alle – eingeladen, immer tiefer zu gehen in unserer Betrachtung:

Erstens, was bedeutet „Herz“?

Es bedeutet das innerste Zentrum unserer Person, das kostbarste und wertvollste, das wir haben, unsere Intimität, die Quelle unseres Lebens, der Sitz unserer Liebe. Also wenn der Engel sagt, dass sie uns „aufmerksam“ zugewandt sind, bedeutet das, dass sie uns ihr Innerstes öffnen. Sie lenken ihre Liebe zu uns. Wir sind Ihnen nicht gleichgültig, im Gegenteil, wir sind Gegenstand ihrer liebenden Aufmerksamkeit.

Zweitens müssen wir verstehen, dass diese Herzen besonders sind: sie sind HEILIG!

Im menschlichen Herzen ist alles, vom Besten zum Schlechtesten gekehrt, wie unser Herr sagt: Aus dem Herzen, aus dem innersten Sein kommen die schlechten Gedanken. Hier beginnt die Sünde. Hier hängen wir uns an alle Arten von Unreinheiten etc.

Aber diese Herzen sind heilig, das bedeutet makellos, ohne Schmutz und Finsternis, nur Schönheit, Licht und Fülle der Tugenden, vor allem Fülle der Liebe.

Durch die Offenbarung dieses wichtigen Details unterstreicht der Engel ihre „Pläne der Barmherzigkeit“.

Was bedeutet das? Da diese Herzen uns in unermesslicher Liebe zugewandt sind, wollen sie uns ihre Heiligkeit mitteilen. Und genau das sind ihre „Pläne der Barmherzigkeit“.

Barmherzigkeit – misericordia: Barmherzig ist ein heiliges Herz (cor), welches sich dem Nichts und dem Elend (miser) der armen Sünder zuwendet, um sie mit seinen unendlichen Schätzen zu erfüllen. Und welches sind diese Schätze? Ihre Heiligkeit, ihre unglaubliche Liebe, ihre ewige Glückseligkeit.

Drittens sind es das heiligste Herz Jesu und das unbefleckte Herz Mariens mit ihren unendlichen Verdiensten.

Was bedeutet das? Diese Herzen sind nicht etwas abstraktes, keine theologische Metapher, nicht eine Redensart von Mystikern. Sie sind sehr konkret und haben eine konkrete und sichtbare Geschichte in unserer Welt.

Das heiligste Herz ist bereits in der Vergangenheit erschienen und hat dem hl. Johannes Eudes, dem hl. Claude de la Colombière und vor allem der hl. Margareta Maria Alacoque geoffenbart, was dieses „Herz“ genau bedeutet, welches seine Wünsche sind, welche Wichtigkeit es für uns hat, wie es verehrt werden will, welche Gnaden es denen gewährt, die seine Bitten erfüllen.

Das unbefleckte Herz Mariens weist auf exakt dieselben Dinge hin in Fatima. Und wenn wir auf diesen konkreten Appell des Himmels eingehen, werden wir wirklich „arme Sünder retten“ und viele viele andere Gnaden erhalten.

  1. Der Engel des Friedens, der Schutzengel, der Engel Portugals:

Dies gibt uns eine wichtige Präzision von dem was wir bereits gesagt haben über die Rolle der Engel in unserem Leben. Der Titel, den der Engel sich selbst gibt, zeigt, dass er involviert ist in sehr konkrete, geschichtliche und politische Wirklichkeiten. Zum Zeitpunkt seiner Erscheinungen waren wir in der schlimmsten Epoche des Zweiten Weltkrieges. Die Menschen sehnten sich nach Frieden und der Engel versprach genau diesen Frieden, indem er uns die Mittel – Gebet und Opfer – gab, um ihn zu erhalten. Wenn die Verbrechen der Menschen gesühnt sind und die Gerechtigkeit Gottes besänftigt, wenn die Züchtigungen die Sünder zur Umkehr geführt haben, dann wird der Friede kommen!

Zudem lernen wir auch, dass nicht nur jeder einzelne von uns einen Schutzengel hat, sondern sogar die Länder und Nationen. Die Aufgabe des Engels ist es, uns vor allem Bösen zu beschützen und uns zum Himmel zu führen. So sind nicht nur unsere Seelen, sondern auch unsere Länder keine profanen Gesellschaften, die nichts mit Gott und unserer Bestimmung zu tun haben. Gott will sie beschützen durch die Engel, damit sie ihre wahre Aufgabe erfüllen: eine christliche Welt zu garantieren und zu fördern durch die Beobachtung der Gebote Gottes und die Verkündigung des Christkönigtums in der Welt.

Wer ist dieser „Engel des Friedens“, der „Engel Portugals“?

Er enthüllte seinen Namen nicht. Aber im Brevier vom 29. September lesen wir: „Michael, der Engel des Friedens“. Portugal hat den hl. Erzengel Michael schon immer als seinen himmlischen Patron verehrt. Es gibt sogar ein Fest zu Ehren des hl. Erzengel Michaels als der „Schutzengel Portugals“. So ist es wahrscheinlich, dass der Engel von Fatima niemand anders ist als der höchste Fürst aller Engel des Himmels, was der Botschaft von Fatima noch mehr Gewicht und Wichtigkeit verleiht.

  1. Lektion für uns:

  1. Die Frage: „Was tut ihr da?“

Als Gott dem großen Propheten Elias auf dem Berge Horeb erschien, überraschte er ihn und fragte: „Was tust Du Elias?“Genau dasselbe bei den Kindern von Fatima: Der Engel unterbrach sie plötzlich als sie beim Spielen waren und fragte: „Was tut ihr da? Betet, betet viel!“

Die Lehrer des geistlichen Lebens laden uns dazu ein, uns oft selbst zu befragen: „Was mach ich gerade jetzt?“

Sie wollen betonen, dass der gegenwärtige Augenblick der wichtigste in unserem Leben ist, weil wir nur JETZT leben, nicht gestern, nicht morgen. Nur JETZT können wir Gott gefallen oder ihn beleidigen, unsere Zeit nützen oder vergeuden…etc.

Lasst uns auf die Stimme unseres Schutzengels hören, der uns ganz leise dasselbe fragt: „Was tust du gerade jetzt? Erfüllst du Gottes Willen? Tust du etwas, das dir auf dem Weg zu Himmel weiterhilft? Oder vergeudest du deine Zeit?“

  1. Was ist wichtig in unserem Leben? Alles!

Sogar die banalsten Dinge sind Gelegenheit Gott unsere Liebe zu zeigen.

Wenn es schwierig ist, große Opfer zu vollbringen, wichtige Veränderungen in unserem Leben herbeizuführen, so ist es umso einfacher „aus allem was wir können, ein Opfer zu machen und alles Gott aufzuopfern als ein Akt der Sühne für die Sünden durch die er beleidigt wird und um die Bekehrung der Sünder zu erbitten.“ Unsere Bewegungen, Arbeit und Ruhe, Tag und Nacht, all die vielen kleinen Prüfungen und Schwierigkeiten, sogar alle Umstände unseres Lebens werden dadurch unglaublich wertvoll und groß: „Ein Akt der Liebe zu Gott ist wertvoller als das ganze Universum“, lehrt der hl. Thomas. Und es ist genau das, was Francisco und Jacinta innerhalb von nur zwei Jahren zu Heiligen gemacht hat. Wie würde unser banales, gewöhnliches, bescheidenes und unauffällige tägliche Leben umgewandelt werden in eine Quelle der Rettung vieler Seelen, in eine Quelle der Heiligkeit, wenn wir großmütiger auf die Bitte des Engels antworten würden!

  1. Wichtigkeit des Leidens:

Wer Opfer sagt, meint auch Leiden.

Der Engel betont: „Vor allem, nehmt alle Leiden, die Gott euch senden wird, an und tragt sie mit Ergebung.“

Später wiederholte Sr. Lucia diese Worte des Engels: „Diese Worte waren unserem Gedächtnis unauslöschliche eingeprägt. Sie waren wie ein Licht, das uns klar machte, wer Gott ist, wie sehr er uns liebt und wünscht von uns geliebt zu werden; der Wert des Opfers, wie wohlgefällig es ihm ist und wie er um dessentwillen den Sündern Gnaden der Bekehrung zuwenden kann. Dies war auch der Grund, dass wir anfingen, alles was uns kränkte und demütigte, Gott aufzuopfern.“ Später führte Unsere Liebe Frau diese wichtige Lektion für unsere Heiligung und für unsere Rolle als „Seelenretter“ fort.

Inzwischen sollten wir die Worte des Engels auswendig gelernt und sie immer und immer wieder betrachtet haben, jedes einzelne wie ein Licht in unserem Leben. Zuerst müssen wir lernen die Leiden anzunehmen und nicht (wie gewöhnlich) sie abzulehnen oder zu murren. Dann müssen wir verstehen, dass die Leiden in unserem Leben keine Verhängnisse sind, die zufällig geschehen, sondern dass sie von unserem Herrn gesandt sind, weil er uns liebt und uns die Möglichkeit gibt viele Verdienste zu sammeln. Was für einen Lohn hat er für jene vorbereitet, die in dieser Welt mit ihm den Weg des Kreuzes gehen, den Weg der Leiden!

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