Pater Direktors Brief Nr. 10

Pater Direktors Brief Nr. 10

Um den hl. Maximilian Kolbe richtig verstehen zu können, muss man auf die wichtigsten Quellen zurückgehen, die sein Innenleben geformt und inspiriert haben: die katholische Vergangenheit seines Volkes – ganz geprägt von der Gegenwart Mariens, der Anführerin der christlichen Heere – die Wundertätige Medaille, die Erscheinungen Mariens in Lourdes, und insbesondere der heilige Ludwig Maria Grignion von Montfort.

Höchstwahrscheinlich ist ihm der große Meister der „vollkommenen Hingabe an Maria“ in seinen Seminarjahren in Rom „begegnet“. Sicher ist es kein Zufall, dass er (vor genau 100 Jahren) am 28. April, dem Fest des hl. Ludwig (damals des seligen Ludwig) zum Priester geweiht worden ist.

Er hat den hl. Ludwig in Polen bekannt gemacht, die ersten polnischen Übersetzungen des „Geheimnisses Mariens“ gedruckt und veröffentlicht. Er selbst schrieb im Vorwort eine kurze Biographie über den hl. Ludwig und eine Zusammenfassung seiner Spiritualität. Vor allem betont er die Ähnlichkeit der Situation in den verschiedenen Zeiten, in denen beide lebten. Damals waren die Feinde die Jansenisten, heute sind es die Freimaurer und Sekten: gemeinsam haben sie den Hass gegen die wahre Andacht zu Jesus und Maria. Wie die Ritter heute, so war Grignion damals der große Apostel der Mittlerin aller Gnaden: Als vollkommenes Werkzeug in ihren unbefleckten Händen hat er während seiner Volksmissionen unzählige Seelen den Fesseln Satans entrissen. Wie heute die MI den alles beherrschenden Armeen des Bösen gegenüber steht, so war auch Grignion der Übermacht der Feinde ausgesetzt. Oft war er allein, selbst von seinen Freunden verlassen, wurde er zur Zielscheibe der Bosheit und des Neides der Häretiker. Vor allem aber schöpfen Grignion und Maximilian gemeinsam aus der Quelle jeglicher Kraft und Mutes: Sie setzen all ihr Vertrauen auf die Muttergottes und waren ihr in allem unbedingt gehorsam; immer und überall und vollständig zählt nur IHR Wille!

Es gibt aber eine noch wichtigere Übereinstimmung: Grignion von Montfort war sicher „von oben“ inspiriert, als er die Rolle Mariens in den letzten Zeiten herausstellte: Wenn die Übermacht des Drachens und seiner Diener so überaus groß ist, dass es ihnen fast gelingt, die Kirche zu zerstören, und fast alle Menschen auf den Weg des Verderbens zu locken, dann erscheint die apokalyptische Frau. Durch ihre treuen Diener zertritt sie dem Satan den Kopf und überwindet alle seine Angriffe, vor allem jedoch entreißt sie durch diese wenigen treuen „Apostel Jesu und Mariens der letzten Zeiten“ dem Widersacher unzählige Seelen. Der hl. Maximilian bezieht auf die Ritter der Immaculata Grignions Beschreibung dieser treuen Sklaven Mariens, die sich vor keiner Macht fürchten, die überall hingehen, wohin die Herrin sie sendet, die das Kruzifix in der rechten, den Rosenkranz in der linken halten und die Namen Jesu und Mariens in ihren Herzen eingeschrieben haben.

Er möchte ganz klar, dass die Ritter der Immaculata sich identifizieren mit den Aposteln Jesu und Mariens der letzten Zeiten. „Unser Ziel und die Mittel, um dieses Ideal (Apostel Jesu und Mariens) zu erreichen, stimmen voll und ganz mit den Ansichten des hl. Ludwig Maria überein. Sein ernsthaftester Wunsch – der Wunsch seines ganzen Lebens – war es, die Unbefleckte als Herrin der ganzen Menschheit zu feiern, ihrer Liebe alle schlagenden Herzen der Menschen zu übergeben“ (hl. Maximilian).

Aus diesem Grund haben nach dem Wunsch des hl. Maximilian alle Bewohner der Stadt der Immaculata, sowohl in Polen als auch in Japan, die Ganzhingabe Grignions abgelegt. Um wirklich im vollen Sinne Ritter der Immaculata zu werden, muss man ihr gehorsames Kind und ihr unterwürfiger Sklave sein. Man kann nur dann ganz und gar Werkzeug sein, wenn man das Eigentum des Künstlers ist.

Sicher ist es wahr, dass der hl. Maximilian es jedem ganz leicht macht, Ritter zu werden, und im Grunde praktisch nichts verlangt außer der Weihe, des täglichen Stoßgebetes und des Tragens der Wundertätigen Medaille. Dennoch drückt er seinen sehnlichsten Wunsch aus, dass jeder Ritter vom ganz großen Ideal erfüllt sei, eine herrliche, unsagbar bedeutsame Sendung erhalten zu haben: Wir sollen immer mehr danach streben, ganz der Immaculata zu gehören, ganz ihr gehorsam zu sein und so ihr Werkzeug zu sein, das sie benützen kann, wie sie will, um so viele Seelen wie möglich zu retten.

Dies aber ist unsagbar schwer, besonders in den letzten Zeiten. Und je näher dem Ende, desto härter und gefährlicher der Kampf! Dabei darf man aber auch nicht vergessen, dass das Geringste, das wir für die Immaculata tun, von ihr überaus großherzig belohnt wird. Der erste, den die Immaculata mit Gnaden erfüllt, wird ihr treues Instrument selber sein. Mein Bemühen für die Bekehrung der armen Sünder kommt zunächst mir, dem ärmsten der armen Sünder zugute.

Was aber ist nun der Unterschied der beiden Weihen? Wie verhalten sich diese zueinander?

Die Muttergottes schenkte dem hl. Ludwig Maria die Gnade der wahren und vollkommenen Andacht zu ihr. Durch diese Hingabe wird sie im wahrsten Sinne des Wortes unsere Mutter und Königin, und wir ihre Kinder und Sklaven. Als Mutter nimmt sie unsere Hände und hilft uns, zu Gott zurückzukehren, unsere Seelen zu retten, uns von den Fallen des Teufels zu befreien und an Jesus Christus festzuhalten. Auf diese Weise erfüllen wir unser Taufgelübde und beginnen, das größte Gebot Gottes zu erfüllen: die Liebe Gottes über alles! Offensichtlich wurde uns die „vollkommene Hingabe“ zu unserer eigenen Bekehrung und Heiligung, für unsere Beziehung zu Gott selbst gegeben. Ohne meine Mutter und Herrin werde ich SEINE Wahrheit, SEIN Leben und SEINEN Weg nie finden. Auch wenn ich diese Wahrheit und das Leben einmal gefunden habe, würde ich sie ohne Maria sicher verlieren. Aber jetzt, da sie das Kommando über mein Schiff hat, wird sie mich sicher zum Hafen bringen.

Nach dem Hauptgebot der Gottesliebe verlangt Christus von uns, „einander zu lieben, wie ICH euch geliebt habe“, und er nennt dies sein neues Gebot. Wie hat uns Christus geliebt? Er hat sich hingegeben, um uns vom ewigen Unglück zu erretten und uns in die ewige Seligkeit zu führen.

Und auch hier müssen wir uns fragen: Wie oft denken wir an das Seelenheil der Mitmenschen? Die meisten sind uns völlig egal, die übrigen regen uns auf und wenn wir jemandem Gutes wünschen, dann geht es meist nur bis zu „Gesundheit, Wohlergehen und Erfolg“.

Und auch hier sendet der Herr uns eine Hilfe, damit wir das große Gebot der Nächstenliebe immer besser praktizieren: Es ist die liebende Mutter, die Königin, die nach Christus alle Menschen so sehr liebt, jeden einzelnen mehr, als alle besten Mütter der Welt zusammen ihre geliebten Kinder lieben können. Zudem hat Christus ihr alle Gnaden gegeben, damit diese Menschen bekehrt und gerettet werden könnten. Aber Gott will nun auch, dass wir an diesem Werk Anteil haben. Deshalb haben wir auch ein weiteres Sakrament empfangen, nämlich die hl. Firmung, die uns den Heiligen Geist nicht nur zu unserer eigenen Heiligung gibt, sondern um Soldaten Christi zu werden und am Aufbau des mystischen Leibes Christi mitzuwirken.

Um diese großen Gnaden der heiligen Firmung nicht zu vergeuden, und endlich in das Heer der Königs einzutreten und seinem Ruf zu folgen, sendet der Herr uns die Immaculata, damit wir ihre Ritter werden, in ihre kleine Armee eintreten und so ihr helfen, die Seelen ihrer Kinder zu retten – so viele wie möglich. Und siehe, die Königin des Himmels und der Erde wird zu einer Bettlerin, kommt zu mir und fleht demütig: „Mein Kind, ich brauche Dich! Willst Du mir helfen, meine Kinder, die unsterblichen Seelen, zu retten? „So viele gehen auf ewig verloren, weil es niemanden gibt, der für sie betet und opfert“ (Fatima 19.08.1917).

Und auch hier hat die Immaculata uns ihren Diener gesandt, der uns lehren soll, als ihre Werkzeuge Seelen zu retten und die Gnaden der hl. Firmung immer mehr zu entfalten: Der hl. Maximilian Kolbe gründet die Militia Immaculatae, um die ganze Welt IHR zu Füßen zu legen, damit SIE überall dem Teufel den Kopf zertrete und die Irrtümer auf der ganzen Welt überwinde.

Wie die Nächstenliebe auf der Gottesliebe aufbaut und sie voraussetzt, wie die Firmung auf der Taufe aufbaut, sie voraussetzt und ergänzt, so ist das ganze Werk Maximilians auf der Ganzhingabe Grignions aufgebaut, ihre Erweiterung und Ergänzung. Anders gesagt, um die Ganzhingabe Grignions zu vervollständigen, braucht es den Akt der Ganzhingabe Maximilians. Dann erst wird unser ganzes Dasein von Maria abhängig gemacht, von ihrer Gegenwart und ihrer Gnadenfülle durchdrungen: nicht nur unsere Beziehung zu Gott, sondern auch unsere Beziehung zum Nächsten; nicht nur unsere Selbstheiligung, sondern auch der Auftrag, den wir von Gott erhalten haben in dieser Welt, nämlich Streiter Christi zu sein zur Ausbreitung seiner Königsherrschaft. Unser Weg zum Himmel, unsere Kämpfe auf Erden für das Heil der Seelen – alles, ausnahmslos alles gehört ihr, so wie sie ganz Gott gehört.

Umgekehrt bedeutet das aber auch, dass der Ritter der Immaculata sich immer wieder auf seine geistliche Grundlage besinnen muss: „O meine Königin, Siegerin in allen Schlachten Gottes, in dem Maße nur kann ich dein Werkzeug und Ritter in deinem Kriegsheer sein, in welchem ich ganz und gar dein Kind bin, und du meine Mutter, ich dein Sklave, und du meine Herrin.“

Man kann also – streng genommen – gar nicht wirklich ihr Ritter sein ohne die Ganzhingabe, durch die wir Maria feierlich als unsere Mutter und Herrin anerkennen, und ebenso unsere absolute Abhängigkeit von ihr als ihre Kinder und Sklaven.

Haben Sie die Ganzhingabe noch nicht abgelegt, so möchte die Generalin Sie einladen, die Geheimnisse des sicheren Sieges aller Schlachten und Kämpfe kennenzulernen. Schlagen Sie diese Einladung ab, werden Sie nie ein eifriger Kämpfer der Immaculata sein; im Gegenteil, Sie werden oft zu schwach sein, den Angriffen der schrecklichen Feinde zu widerstehen. Im Übrigen werden Sie auch nichts Besonderes leisten im Kampfe, da die Generalin nur wenig auf Sie zählen kann, Ihre Waffen verrostet sind oder Ihre Munition verbraucht.

Haben Sie die unsagbare Gnade empfangen, dass die Herrin Sie als Sklave und Kind angenommen hat und Sie nun theoretisch auf sichere Weise zu den Höhen der Vollkommenheit führen kann, so ist es sehr wichtig, immer wieder die Ganzhingabe an Maria zu erneuern, wenigstens einmal im Jahr.

Der Grund ist einfach: Solange wir leben, wird es uns immer an der Konsequenz mangeln, die es braucht, unsere Hingabe ganz ernst zu nehmen. Mit jeder Erneuerung unserer Hingabe werden wir etwas weniger unwürdig und ein klein bischen mehr treu!

Es gibt noch einen anderen Grund: Der Kampf ist schrecklich, ununterbrochen sind wir auf dem Schlachtfeld. Leicht können wir ermüden als Ritter, besonders wenn wir uns sehr aktiv bemühen, der Immaculata zu helfen bei der Rettung der Seelen. Das dauernde Apostolat in der Welt laugt einen aus. Deshalb möchte uns die Mutter an sich ziehen, damit wir uns eine Weile ausruhen, wie ein Kind am Herzen der Mutter. Sie möchte uns wieder erinnern, wie sehr sie uns liebt, wie sehr sie unsere Mutter ist, und was sie von uns wünscht (2. Woche der Vorbereitung). Sie möchte, dass wir uns immer wieder besinnen, wer wir selber eigentlich sind, als von Gott abhängige Wesen, als arme, gefallene Menschen (1. Woche der Vorbereitung). Aber vor allem wünscht sie, uns zu ihrem Sohn zu führen, damit wir durch sie ganz ihn kennen und lieben und ihm gehören, der uns grenzenlos „geliebt und sich für uns dahingegeben hat, bis zum Tod am Kreuz“ (3. Woche der Vorbereitung).[1]

Der große Weihetag der Ganzhingabe Grignions ist der 25. März, das Fest Mariä Verkündigung, an dem wir alle eingeladen sind, dieselbe feierlich zu erneuern (oder erstmals abzulegen). Der große Weihetag der Ritter der MI ist der 8. Dezember, das Fest der Unbefleckten Empfängnis, an dem wir den Weiheakt des hl. Maximilian erneuern sollen. Somit fällt die Vorbereitung und die Weihe als Sklaven in der Regel in die Fastenzeit, hingegen die Weihe als Ritter in die Adventszeit. Ist dies nicht ein Wink der Vorsehung, die uns auf diese Weise zu einem wunderbaren Vorsatz in diesen Zeiten der Buße und Umkehr verhilft? Abgesehen davon sind auch alle Marienfeste dazu geeignet, unsere Weihen an die Immaculata zu erneuern, eine wichtige Andacht, damit wir nie unsere Identität vergessen: Jetzt und in alle Ewigkeit dürfen wir Kinder, Sklaven und Ritter der Immaculata sein. EHRE DER IMMACULATA für ein solch unverdientes Privileg!

Jakarta, 2. Sonntag in der Fastenzeit

P. Karl Stehlin

 


[1] Zur jährlichen Erneuerung der Ganzhingabe Jahr wünscht der hl. Ludwig, dieselbe durch drei Wochen vorzubereiten: „Jedes Jahr, am selben Tag, sollen Sie die Weihe nach den gleichen Übungen für drei Wochen erneuern. Sie können es auch jeden Monat oder sogar jeden Tag erneuern, indem Sie dieses kurze Gebet sprechen: “Ich bin ganz dein und alles, was ich habe, ist dein, lieber Jesus, durch Maria, deine heilige Mutter“ (Traktat Nr. 233).

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