Pater Direktors Brief Nr. 3

Pater Direktors Brief Nr. 3

Liebe Ritter der Immaculata!

rundbrief iconLasst uns den Rosenkranzmonat mit dem großen Wunsch und dem festen Entschluss beginnen, dem Herzen der Unbefleckten zu folgen, wenn sie von uns verlangt, täglich den Rosenkranz zu beten. Mehr denn je leben wir in schrecklichen apokalyptischen Zeiten. Darum sollten wir von Schwester Luzias Worten tief beeindruckt sein: „Jetzt gibt Gott uns die beiden letzten Hilfsmittel zum Heil: die Andacht des heiligen Rosenkranzes und die Verehrung des unbefleckten Herzens Mariens.“ Nur mit diesen Mitteln werden wir unsere Seelen und die Seelen vieler anderer retten. Wir Ritter sollten in den ersten Reihen kämpfen beim Rosenkranzkreuzzug, den unser Generaloberer ausgerufen hat, um das unbefleckte Herz bekannt und beliebt zu machen und um ihre dringenden Forderungen endlich zur Erfüllung zu bringen zum Wohl der heiligen Mutter Kirche und zum Heil vieler Seelen.

Doch seien wir wachsam: Es genügt nicht, den Rosenkranz lediglich zu rezitieren. Wir müssen eine echte Verehrung zu ihm haben und nach den verborgenen Schätzen dieses geheimnisvollen Gebetes greifen. Der heilige Ludwig Maria Grignion betrachtet diesen verborgenen Schatz in seinem Buch über das herrliche Geheimnis des Rosenkranzes, und Papst Leo XIII erklärt den Rosenkranz in seinen Enzykliken über den Rosenkranz mit diesen Worten: Sein äußerlicher „Körper“, seine „materielle Seite“, das sind die Worte des Gebetes, doch seine innerliche Seite, die „Seele“, ist die Betrachtung über die Geheimnisse des Lebens unseres Herrn durch Unsere Liebe Frau.

In diesem Brief möchte ich zuerst eine Antwort auf die Frage geben: Warum ist der Rosenkranz so wichtig in diesen letzten Zeiten?

Der Rosenkranz ist heute so unerlässlich für uns, weil er einfach ein perfekter Weg ist, die Geheimnisse Jesu durch Maria zu durchdringen. Der Rosenkranz ist eine Art „Schnellzugriff“, um in die Geheimnisse unseres Herrn einzutreten. Besonders für die geschäftigen Männer und Frauen unserer Zeit ist der Rosenkranz das einfachste Mittel, über unseren Glauben zu betrachten: vielleicht nicht über jedes Geheimnis, aber sicher über die wesentlichsten Geheimnisse unseres Glaubens, die für unsere Rettung am wichtigsten sind.

Die freudenreichen Geheimnisse – die Ankunft Christi in dieser Welt – machen uns klar, dass das Zentrum der Schöpfung nicht der Mensch ist (im Gegensatz zum modernen Kult des Menschen), nicht das Paradies auf Erden und nicht das kurze Leben jedes Einzelnen, sondern die Gegenwart Christi unseres Herrn mitten unter uns. Die freudenreichen Geheimnisse lenken unsere Augen auf IHN und helfen uns, der Versuchung zu widerstehen, die Lügen und Illusionen der Welt zum Mittelpunkt unseres Lebens zu machen.

Die schmerzhaften Geheimnisse zeigen uns den Weg, wie wir auf Erden leben sollen: „Nehmt täglich euer Kreuz auf euch!“ Es ist das große Gesetz der Liebe, das darin besteht, sich selbst zu vergessen und sich für die Verherrlichung Gottes und die Rettung der Seelen aufzuopfern, indem wir uns mit dem Leiden unseres Herrn identifizieren.

Und die glorreichen Geheimnisse zeigen uns das Ziel unseres Lebens: nicht irdischer Erfolg, sondern die ewige Herrlichkeit, die uns durch die Auferstehung unseres Herrn verdient wurde.

In diesen drei Geheimnissen sind alle Grundlagen unseres geistigen Lebens enthalten: die Basis (Emmanuel – Gott mit uns), der Weg (Via Crucis) und das Ziel (die ewige Glückseligkeit). Auf diese Weise erleuchtet uns der Rosenkranz und befreit uns vor den Gefahren des Lebens, dem trügerischen Pfad in die Verdammnis zu folgen.

Zweitens möchte ich einige tiefere Aspekte des heiligsten Rosenkranzes aufzeigen, denn dieses Gebet bringt uns durch Maria Gott selbst und bringt uns durch Maria zurück zu Gott! Das bedeutet, dass die Andacht des heiligen Rosenkranzes der kürzeste und sicherste Weg zur Heiligkeit ist!

1/ Maria zeigt uns den Weg zu den Tiefen des Geheimnisses Gottes!

Im Rosenkranz offenbart sie uns das herrlichste aller Geheimnisse, die allerheiligste Dreifaltigkeit. Gott kommt uns nahe durch den Rosenkranz. Das liebende Herz unserer Mutter gibt uns, ihren Kindern, ein überaus großartiges Geschenk: Gott selbst!

In den freudenreichen Geheimnissen entdecken wir Gottvater als die Quelle und den Ursprung alles Guten, insbesondere des höchsten Gutes, nämlich unserer Erlösung. Er sendet seinen Sohn auf die Welt! Gott Sohn ist die Offenbarung Gottes auf Erden, die geistige Sonne, die durch seine Geburt die Dunkelheit vertreibt und als Kind die Schriftgelehrten im Tempel erleuchtet. Gott, der Heilige Geist, vollendet das Geheimnis der Menschwerdung, und durch seine Eingebungen bringt er die Gnade Gottes in die Welt. Er ist anwesend bei der Heimsuchung Mariens und der Heiligung von Johannes dem Täufer im Leib seiner Mutter Elisabeth und auch später während der Darstellung des Jesuskindes im Tempel, als er den greisen Simeon und die Prophetin Anna erleuchtet und heiligt.

Bei den schmerzhaften Geheimnissen betrachten wir bestimmte Werke der unendlichen Barmherzigkeit unseres Herrn. Hier öffnet unsere Mutter vor unseren Augen die Tiefen des Herzens Jesu während der Todesangst in Gethsemane. Was geschah dort? Wir hören sein Herz schlagen. Er, der Heiligste, Schönste, Vollkommenste – und gleichzeitig niedergedrückt von dem unendlichen Greuel und Elend der Sünde, dem moralischen Schmutz und den abstoßenden Beleidigungen der Menschen. Wir sehen einen erschütternden Ausdruck der Barmherzigkeit in der Art und Weise, wie Jesus alle diese Schrecken annimmt, um den schrecklichen Preis für das Böse bezahlen und es durch das Opfer seines eigenen Lebens austilgen zu können. Und wir sehen auch die Barmherzigkeit des Vaters, der den Engel des Trostes schickt, um seinen Sohn im Garten zu trösten, sodass Christus den Weg der barmherzigen Liebe bis zum bitteren Ende gehen kann.

Die Geißelung und die Dornenkrönung zeigt Gottes Gnade „in Aktion“: Hier und jetzt wird die Dunkelheit zerstört – bezahlt mit dem Preis seines heiligsten Blutes, seines zerfleischten Körpers und seines von Dornen durchbohrten Hauptes. Gottes Gnade ist kein Witz, sie hat nichts mit Sentimentalität zu tun. Der Sohn Gottes nimmt die größtmögliche Unterdrückung auf sich, um die Sünder von der Sklaverei der Sünde zu befreien. Die Barmherzigkeit Gottes bewirkte unsere Erlösung, doch zu welchem Preis! Und können wir nicht die Kreuztragung und den Tod Christi als eine besondere Teilnahme des Heiligen Geistes am Werk der Barmherzigkeit Gottes verstehen? Die Stärke Christi, sich nach den drei qualvollen Stürzen jedes Mal wieder zu erheben; die Hilfe und die Tröstung, die er von Simon von Cyrene und Veronika annahm; die Gegenwart der Schmerzensmutter auf dem Kreuzweg – hinter all dem offenbart sich der Heilige Geist ganz unscheinbar und bringt so das Werk der Erlösung zu seiner Vollendung und zur umfassenden Vollkommenheit.

Das ganze Drama gipfelt auf Kalvaria. Jede der drei göttlichen Personen ist dabei: Der Vater, der am Ende sein Eigentum opfert – seinen Sohn! Der Sohn, der liebt „bis ans Ende“ durch jegliches Leid, das nur möglich ist! Der Heilige Geist, der im unbefleckten Herzen Mariens wohnt, die jetzt unter dem Kreuz steht, die brennende Flamme der ewigen Liebe Gottes in ihrem Herzen und leuchtend in ihrem Mitleid und ihrem unfassbaren Schmerz!

In den glorreichen Geheimnissen wird diese unendliche Liebe deutlich: der Triumph und die ewig fortdauernde Wirksamkeit des gesamten Erlösungswerkes. Wir dürfen an der finalen und ewigen Offenbarung von Gottes Herrlichkeit, Heiligkeit und Majestät mitwirken ­­– zunächst im Triumph der Liebe Gottes durch das Wunder der Auferstehung. Die Himmelfahrt ist die siegreiche Rückkehr Christi in den Himmel – zusammen mit den Gliedern seines mystischen Leibes. Und das zentrale Geheimnis ist die Sendung des Heiligen Geistes – dem Feuer der Liebe Gottes! Im Himmel wird alle Sehnsucht erfüllt sein durch ewigen Frieden und endlose Glückseligkeit.

Die letzten beiden glorreichen Geheimnisse zeigen uns, wie diese Glückseligkeit vollkommen realisiert wird, nämlich indem durch die Immaculata die ganze Schöpfung zu Gott zurückkehrt. Die Krönung Mariens ist einerseits die Offenbarung der ganzen Liebe Gottes, der sie mehr als alle Engel und Heiligen des Himmels mit sich selbst erfüllt und andererseits der endgültige Sieg und die Erfüllung der geschaffenen Ordnung, wenn „Gott in allem sein wird“!

2/ Maria führt uns zur tiefsten Verwirklichung und dem Ziel der Schöpfung:

Sie hilft uns zu verstehen, wer wir wirklich sind, und was wir in Gottes Augen sein sollten. Der heilige Thomas lehrt, dass sie die Stellvertreterin der ganzen Menschheit ist und, dass wir nur in ihr unsere eigene Vollkommenheit erreichen können, nämlich die Einheit mit Jesus Christus, der uns gegeben wurde durch sie, die uns reinigt, umwandelt, heiligt und schließlich zur Herrlichkeit führt.

In den freudenreichen Geheimnissen erscheint sie als der Ursprung und die Quelle, als der grundlegende Beginn unseres wahren Lebens als „Kinder Gottes“; in ihr sehen wir die Wirklichkeit aller Geschöpfe: dass die Quelle unseres Lebens nicht die Welt oder die Geschöpfe sind, sondern Gott, von dem alles total abhängig ist. Jedes Geheimnis zeigt einen „Anfang“, die Offenbarung der Quelle der Existenz und die Beziehung der Geschöpfe zu ihrem Schöpfer.

Seit die Erbsünde begangen wurde, seufzte die ganze Welt in der Erwartung des Erlösers (vgl. Röm 8,20-22) in ihrer Sehnsucht, befreit zu werden von der Sklaverei der Sünde und des Teufels, und zur „Freiheit der Kinder Gottes“ geführt zu werden. Diese Befreiung beginnt mit der Verkündigung, als Mariens Antwort auf die Frage des Engels die Menschwerdung des Gottessohnes auf der Welt bewirkt. In diesem Moment empfängt die Schöpfung – die bisher in der Sklaverei Satans gefangen und in der Dunkelheit verloren war – überwältigendes Licht und erlangt die Freiheit, indem sie neu geschaffen wird, wieder aufgebaut auf einer neuen Grundlage, neuen Prinzipien und einem neuen Gesetz. Weil Gott jetzt mit uns ist (Emmanuel), finden wir ein neues Zentrum der Anziehungskraft, eine neue Lebensform, ein „neues Herz“. In dem Masse, in dem wir alles auf dieses Zentrum, das Gott in uns ist, ausrichten, wird alles verständlich, harmonisch, schön, rein und heilig.

Die Heimsuchung stellt uns einen weiteren „Anfang“ vor, nämlich die Einführung des Werkes der Gnade Gottes durch die Heiligung des heiligen Johannes. Dieses größte Geschenk wurde ihm durch Maria gebracht. Ihr Besuch war der Beginn seiner eigenen Heiligkeit. Und wir können fest darauf vertrauen, dass Gott sich nicht ändert: Was er einmal getan hat, wird er weiterhin tun. Wenn das erste Wunder der Gnade durch Maria vermittelt wurde, wird er fortfahren, die Menschen durch Maria zu heiligen. Durch Maria besucht unser Herr Jesus Christus jede einzelne Seele und erfüllt sie mit heiligmachender Gnade. Dies ist der Anfang unserer Rückkehr zu Gott, der Anfang einer neuen Welt durch Maria.

Die Geburt Jesu zeigt uns, dass diese erneuerte Welt nicht nur in den Tiefen unserer Herzen existiert oder aus einer nach außen nicht sichtbaren inneren Nähe zu Gott besteht. Wir müssen sehen, hören und erfahren. Diese neue Lebensgrundlage muss sichtbar sein; wenn nicht, könnte niemand auf sie bauen. Wie wird die ewige Weisheit sichtbar für uns? In Form eines kleinen Kindes. Bis zum Ende der Welt wird Maria der Menschheit mit ihrem Kind auf dem Arm erscheinen, so wie unzählige Bilder und Ikonen beweisen. Was bedeutet das aber? Es zeigt uns die Bedingung auf, dass wir unser Leben auf dem einzig richtigen Fundament bauen müssen, auf dem Fundament der Gnade Gottes: Wir müssen kleine Kinder werden, ihre Kinder.

Die Darstellung im Tempel ist ebenfalls ein „Anfang“. Sie stellt uns einen wesentlichen und überaus erhabenen menschlichen Akt vor, der am Anfang von allem stehen muss, was wahr, gut und weise ist: den Akt der Hingabe, der Aufopferung! Wieder war es Maria, die dieses Opfer als erste brachte und ihr Opfer war das grösste: Sie gab Gott alles was sie hatte. Sie bot ihm die Seele ihrer Seele und das Herz ihres Herzens dar: ihren eigenen Sohn. Es waren erst 40 Tage vergangen, seit sie ihn von Gott erhalten hatte und schon gab sie ihn dem Vater zurück, indem sie ihn im Tempel darbrachte. Das ist ein Anlass, um über einen hohen Grundsatz zu betrachten, der unser geistiges Leben bestimmen sollte: Wenn wir etwas bekommen wollen, müssen wir geben! Wenn wir mehr bekommen wollen, müssen wir mehr geben. Nur jemand, der alles gibt, erhält auch alles!

Schließlich lehrt uns das unbefleckte Herz bei der Betrachtung des Geheimnisses der Wiederfindung Jesu im Tempel eine andere wesentliche Bedingung, die wir erfüllen müssen, wenn wir ein neues geistiges Leben in ihr leben wollen. Aus unserer eigenen Kraft werden wir nie fähig sein, angemessene Opfer zu bringen und Ordnung und Harmonie in unser Leben zu bringen. Nur die beharrliche Suche nach unserem Herrn, seinem Angesicht, seinem Willen und seiner Lehre befähigt uns, unsere enge und verschlossene Welt zu verlassen. Wer suchet, der findet!

In den schmerzhaften Geheimnissen erscheint uns Maria als „der Weg, der uns zum Himmel führt.“ Sie zeigt uns hier, wie unsere tägliche Hinwendung zu Gott aussehen soll.

Die ersten Erfahrungen auf unserem Weg zu Gott sind sehr demütigend, denn die Betrachtung der Todesangst zeigt uns, dass wir unfähig sind, auch nur einen einzigen Schritt aus uns selbst heraus zu tun. Wie die Apostel schlafen wir, wie Judas verraten wir, wir fliehen, wir laufen fort, wir verlassen Jesus. So wenden wir uns in Schmerzen zu ihr, die uns zurück zu seinen Füssen bringen kann, um sodann den Schrei des gequälten Erlösers zu hören: „Gib mir den Kelch voll deiner Sünden! Ich nehme alle auf mich! Ich bezahle den Preis für alle!“ Wir können seine unendliche Barmherzigkeit nicht erlangen, wenn wir ihm nicht zuerst all unsere Schande und unseren Schmutz bekennen, wenn wir ihm nicht erlauben, uns Barmherzigkeit zu erweisen. Dann erwecken die Geißelung und die Dornenkrönung in uns einen tiefen Schmerz, einen heftigen Schrei: „Ich bin es, der dies verursacht hat mit meiner Unreinheit und meinem Stolz. Ich selbst bin mitschuldig an deiner Qual! Und nun fühle ich durch die Gnade Gottes Reue, jetzt bin ich das hilfloseste Geschöpf auf der Welt. Ich muss sehen, wie meine und die Sünden anderer deinem heiligen Haupt und Körper Schmerzen zugefügt haben.“ Diese Hilflosigkeit ist eine Qual für jemanden der liebt, der etwas für seinen Geliebten tun möchte!

Nun zeigt uns eine zweite Erfahrung eine wesentliche Bedingung für eine beständige und bleibende Umkehr zu Gott: Reue und Demut. Und nur auf dem Weg des Kreuzes können wir schließlich damit beginnen, etwas für unseren geliebten Herrn zu tun: Mit Simon von Cyrene können wir ihm tatsächlich helfen, das Kreuz zu tragen; mit Veronika können wir sein Gesicht mit dem Tuch des Mitleidens abwischen. Der ganze Weg unserer Rückkehr zu Gott kann voll sein von solchen Dingen: in sich vielleicht unbedeutende Dinge, aber mit immer größerer Liebe getan!

Doch erst beim fünften schmerzhaften Geheimnis erhalten wir das neue Gesetz, von dem wir durchdrungen sein müssen, ohne das wir nicht ausharren können: mitzuwirken bei der Passion Christi mit seiner Mutter, die Wunden des Erlösers immer und überall durch ihre Augen zu betrachten und ihn durch ihr schmerzdurchdrungenes Herz zu lieben. Darum ist die Teilnahme am heiligen Messopfer ein wichtiger Bestandteil unserer lebenslangen Rückkehr zu Gott. Zusammen mit ihr am Fuße des Kreuzes stehend, hören wir unseren Herrn, wie er sie uns zur eigenen Mutter gibt, die unsere Herzen dem seinen ähnlich macht, erfüllt von Liebe zu Gott und für die Rettung der Seelen.

In den glorreichen Geheimnissen macht uns Unsere Liebe Frau mit dem einzigen Ziel unseres Lebens vertraut, dem Zielpunkt unserer Rückkehr zu Gott. Sie erinnert uns, „wozu und weshalb alles ist“, denn sie weiss, dass wir das Wichtigste und das „einzig Notwendige“ sehr leicht vergessen. Vor allem gibt sie uns den Mut, dass wir nicht verzweifeln, wenn Hindernisse und Missgeschicke uns den Weg zum Himmel zu versperren scheinen.

Die Betrachtung der Auferstehung erfüllt unsere Seelen mit großem Staunen: solch tiefe Freude, solch ein Sieg, solch ein Triumph Christi über alles! Wer kann Gottes Liebe leugnen! Es ist nur für uns, dass Christus von den Toten erstand, um uns unsere eigene zukünftige Auferstehung zu zeigen. Auch wir werden auferstehen, wenn wir treu in der Vollendung unseres geistigen Lebens und der Übung des höchsten Gebotes ausharren. Die erneuerte und ewig verherrlichte Menschheit unseres Herrn ist das Vorbild und die Gestalt unseres zukünftigen glorreichen Lebens im Himmel. Liebe für Liebe! Wenn wir ihn bis zum Ende lieben, wenn wir mit ihm gekreuzigt und begraben werden, dann werden wir auch mit ihm von den Toten auferstehen.

Bei der Betrachtung der Himmelfahrt zeigt uns Unsere Liebe Frau den triumphalen Einzug des Sieges des Königs der Könige, seine glorreiche Rückkehr zum Vater. Auf welche Weise grüßten die Seelen der treuen Patriarchen und Propheten ihn im Himmel? Das ist eine Vision, die wir die Ekstase der Liebe nennen: von ihm erfüllt sein, ganz auf ihn ausgerichtet, als er das himmlische Königreich betrat. Maria erfüllt uns mit ihrer eigenen Faszination beim Anblick Christi, dem König der Liebe „bekleidet mit einem Gewand, das bis auf die Füße reichte, und um die Brust mit einem goldenen Gürtel gegürtet. Sein Haupt und seine Haare waren weiß wie weiße Wolle und wie Schnee. Seine Augen waren wie Feuerflammen … und seine Stimme war wie das Rauschen von Wassermassen… und sein Gesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne“ (Off 1,13-16). Die verherrlichte Gestalt des auferstandenen Herrn sollte uns berühren, wie sie den heiligen Paulus berührte, als der Anblick des Herrn ihn vor den Toren von Damaskus zu Boden warf und ihn für immer zu einem Gefangenen, einem Diener, einem Freund und Apostel Christi machte. Von diesem Tag an war nur noch eine einzige Sache für Paulus gewinnbringend: „Mein Leben ist Christus!“ Es ist ebenfalls die größte Sehnsucht Mariens, dass wir von der Entzückung überwältigt werden wie der Völkerapostel und wie sie selbst in der gewaltigen Liebe zu ihrem Sohn.

Die Sendung des Heiligen Geiste führt uns zum Abendmahlssaal, wo der Heilige Geist „das Feuer seiner Liebe“ in uns entzündet, so wie er an Pfingsten unsere himmlische Mutter und die Apostel und Jünger entflammte. Wir sehen sie im Mittelpunkt, umgeben von ihnen – was für eine faszinierende Versammlung! Es ist unmöglich sich vorzustellen, wie Maria ausgesehen haben muss, als das Feuer des Heiligen Geistes sie durchdrang. Später wird sie privilegierten Seelen erscheinen und die Seher werden versuchen, ihre himmlische Schönheit und Majestät in Worte zu fassen. In Fatima: „Sie strahlte mehr als die Sonne und strahlte ein Licht aus, klarer und intensiver als ein Kristallglas, das mit glänzendem Wasser gefüllt ist, wenn die Strahlen der brennenden Sonne hindurch scheinen.“ In La Salette: „Plötzlich sah ich ein wunderschönes Licht, heller als die Sonne … Ich schaute aufmerksam zu dem Licht. Zuerst war es unbeweglich, doch gleich danach sah ich darin noch ein anderes Licht, sogar noch heller und sich bewegend und in diesem Licht die schönste Frau.“ In Lourdes: „Sie unterschied sich von der Gestalt anderer Menschen, denn von ihr ging ein unglaubliches Licht aus und sie war wunderschön, so geheimnisvoll und so unvergleichlich wunderschön, dass Bernadette, selbst wenn sie ein ausgezeichneter Maler gewesen wäre, nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Schönheit zu porträtieren, selbst mit den besten Werkzeugen… Bernadette sah eine schmale Figur mittlerer Größe. Sie schaute sehr jung aus, vielleicht wie ein junges Mädchen um die 20 Jahre. Aber diese Schönheit und Jugend hatten etwas Außergewöhnliches an sich. Es schien eine Jugendlichkeit zu sein, die nie vergeht und nie vergehen kann – eine ewige Jugend. Und da war noch etwas Anderes in dieser Jugendlichkeit, das man nicht in Worte fassen kann. Es war, als ob in ihr die Anmut einer kindlichen, äußerst reinen Jungfrau mit dem Ernst und dem unendlichen Verständnis, der grenzenlosen Güte einer Mutter und der hohen Majestät einer Königin verschmolzen waren.“ Können wir in diesen Beschreibungen nicht die Macht des Heiligen Geistes erkennen, der, indem er ihre Schönheit preist und sie mit Licht erfüllt, uns ebenfalls zu den Höhen seiner Liebe führen möchte?

Und so war sie die Erste, die den unendlichen Gipfel des Geheimnisses Gottes erreichte. Ihre Reise durch das Leben zum Himmel glich einer gewaltigen Flamme der Liebe: Sie starb buchstäblich aus Liebe. Das wird in ihrer Himmelfahrt sichtbar, wenn sie als die Erste aller Menschen das Ziel erreicht, zu welchem sie anschließend ihre Kinder führt. Der Tod (dormitio oder Ruhe) Mariens muss als die Gesamtheit ihrer Liebe angesehen werden, als Tod aus Liebe. Ihre Liebe war so gewaltig, dass nichts sie mehr auf der Erde halten konnte.

Und das letzte glorreiche Geheimnis ist schlicht ein Loblied der Bewunderung ihres ewigen Triumphs. Aber was für ein Irrtum zu denken, dass sie, weil sie im Himmel ist, jetzt fern von uns sei, da wir ja auf der Erde verbleiben müssen. Obwohl sie im Himmel ist, ist sie ganz und gar nicht weit von uns entfernt, denn sie gibt hier und jetzt Acht auf ihre Kinder Die Königin des Himmels und aller Geschöpfe sollte unsere Augen und Herzen anziehen. In ihr werden alle ihre Kinder aufgefordert, die Krone der Glorie zu empfangen. Die Betrachtung dieses Rosenkranzgeheimnisses sollte uns zu einer solchen Haltung gelangen lassen, dass wir geistiger Weise mehr in den Geheimnissen Gottes verweilen als hier auf Erden. Dort ist unsere echte Wirklichkeit; das Leben hier ist nur ein Schatten. Dort ist unser Herz, hier unsere Verbannung. In ihr können wir ausrufen wie der heilige Franziskus: „Mein Gott und mein Alles!“

Singapur, 4. Oktober 2016, am Fest des hl. Franziskus

Pater Karl Stehlin

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