Vorbereitung auf 100 Jahre Fatima, Folge 4

Vorbereitung auf 100 Jahre Fatima, Folge 4

Herbst 1916 – die dritte Erscheinung des Engels

Tuy Favorit

Die Vision von Tuy, 1929

Von Pater Karl Stehlin

Dieses Mal hüteten die drei kleinen Hirten ihre Herde am selben Platz, wo der Engel zum ersten Mal erschienen ist (Loca de Cabeco).

Lucia berichtet später:

„Sobald wir dort ankamen, knieten wir uns nieder, berührten mit unserer Stirn den Boden und begannen das Gebet des Engels zu beten. Ich weiß nicht wie viele Male wir dieses Gebet wiederholten, als plötzlich ein außergewöhnliches Licht auf uns herab schien. Wir sprangen auf, um zu sehen was passiert war, und erblickten den Engel.

In seiner linken Hand hielt er einen Kelch, eine Hostie schwebte darüber, von welcher einige Blutstropfen in den Kelch fielen. Der Engel ließ den Kelch in der Luft schweben, kniete sich neben uns nieder und forderte uns auf, mit ihm folgendes Gebet drei Mal zu beten:

‚Allerheiligste Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ich opfere dir auf den kostbaren Leib, das Blut, die Seele und die Gottheit unseres Herrn Jesu Christi, gegenwärtig in allen Tabernakeln der Welt, zur Wiedergutmachung für alle Schmähungen, Sakrilegien und Gleichgültigkeiten, durch die er selbst beleidigt wird. Durch die unendlichen Verdienste seines heiligsten Herzens und des unbefleckten Herzens Mariens bitte ich dich um die Bekehrung der armen Sünder.‘

Dann erhob er sich und ergriff den Kelch und die Hostie. Er reichte mir die heilige Hostie, teilte das Blut aus dem Kelch zwischen Jacinta und Francesco und sprach:

‚Nehmt und trinkt den Leib und das Blut Jesu Christi, der durch die undankbaren Menschen so furchtbar beleidigt wird! Sühnt für ihre Verbrechen und tröstet euren Gott.‘

Hierauf kniete er sich wieder auf den Boden und wiederholte mit uns nochmals drei Mal dasselbe Gebet ‚Allerheiligste Dreifaltigkeit …‘ und verschwand.

Bewegt von einer übernatürlichen Kraft, die uns umhüllte, ahmten wir den Engel in allem nach: Wir knieten wie er und wiederholten das Gebet, das er uns lehrte. Wir verblieben eine lange Zeit in dieser Position und wiederholten immer wieder dieselben Worte.“

Betrachtung:

Das zentrale Geheimnis bei dieser dritten Erscheinung ist die heiligste Eucharistie.

Die Engel führen uns immer zu unserem Herrn, genauer gesagt, zu Jesus Christus im heiligen Sakrament. Dieser kurze Bericht enthält so viel Licht und Wahrheit:

1. „In seiner linken Hand hielt er einen Kelch, eine Hostie schwebte darüber, von welcher einige Blutstropfen in den Kelch fielen.

Bevor wir in das eigentliche Geheimnis eintreten, über welches gesprochen wird, können wir erkennen, dass dieser Satz ein tödlicher Schlag gegen jede Leugnung des Geheimnisses des heiligen Sakramentes ist. Er unterstreicht die katholische Wahrheit und ist eine kräftige Widerlegung des protestantischen Irrtums, welcher auch von den Modernisten vertreten wird. Tatsächlich ist es eine der schlimmsten Attacken des Feindes, in unserer Zeit den Glauben der Katholiken durch die Einführung des sogenannten „ökumenischen Weges“ zu schwächen, indem die verschiedenen christlichen Religionen als Optionen und als Teilhaber am unsichtbaren Gottesreich dargestellt werden, wo jeder den anderen schätzen und von ihm lernen soll. Das Resultat von solch einem „brüderlichen Dialog“ ist der innere Widerspruch: Entweder ist Jesus wirklich in der Hostie gegenwärtig oder nicht! Protestanten sagen „nein“, Katholiken sagen „ja“. Wenn beides Möglichkeiten sind, dann gibt es keine objektive Wahrheit mehr, nur subjektive Ansichten, und jeder kann glauben was er will.

Gegen diese Seuche erhebt sich der Engel in Fatima und verkündet die katholische Lehre als die einzig wahre.

Überdies beharrt er darauf durch folgende Präzision: „Ich opfere dir auf den kostbaren Leib, das Blut, die Seele und die Gottheit Jesu Christi, wie er in allen Tabernakeln der Welt gegenwärtig ist…“ Das ist beinahe eine wörtliche Wiedergabe des Textes aus dem römischen Katechismus und der dogmatischen Formel des Konzils von Trient. Es definiert die wahre Gegenwart unseres Herrn Jesu Christi im Allerheiligsten Sakrament.

Noch mehr: „Gegenwärtig in allen Tabernakeln der Welt“ betont, dass Jesus in allen Tabernakeln ist – und nur dort. Aber wo sind diese Tabernakel? Nur in katholischen Kirchen! Was für eine unglaubliche und erstaunliche Aussage im Jahre 1916, wenn man bedenkt, dass genau 50 Jahre später die Reformen des 2. Vatikanischen Konzils bei den Katholiken eine universelle Schwächung des Glaubens an die wahre Gegenwart unseres Herrn in den Tabernakeln hervorrief.

Lasst uns nun die Inhalte der Erscheinung selber betrachten:

Was bedeutet: „Blut tropfte aus der Hostie“?

Die heilige Hostie ist der wahre Leib unseres Herrn, vereint mit seiner Seele, seiner Menschheit und Gottheit. Wenn Blut aus einem Körper kommt, bedeutet das, dass der Körper nicht in seinem normalen Gesundheitszustand ist, er ist krank, verletzt, er ist verwundet und je mehr Blut er verliert, desto mehr ist sein Leben in Gefahr. Und Wunden bedeuten Leiden! Dies ereignete sich an unserem Herrn als er seine Passion litt und auf Kalvaria starb, angenagelt an das Kreuz.

Wenn nun die Hostie eben diese Blutströme zeigt, die aus seinem Leib fließen, bedeutet das, dass die heilige Eucharistie – genau genommen – die hl. Messe, die Erneuerung, die Vergegenwärtigung von Kalvaria, der Kreuzigung unseres Herrn ist. Und da haben wir die folgende erstaunliche Lehre von Fatima, die wie eine prophetische Warnung für die kommenden Zeiten ist.

So als ob der Engel sagen wollte: „Seht euch vor, ihr Kinder Gottes, die Eucharistie, die heilige Messe ist NICHT das ‚Abendmahl‘, die ‚Zusammenkunft der Gläubigen‘ um einen Tisch, um dem Abendmahl des Herrn zu gedenken, sie ist kein Festmahl. Sie entspricht nicht der Definition der Messe, wie sie in der ersten Auflage des Novus Ordo Missae (neue Messe) 1969 erlassen wird.

Sondern sie ist das Opfer unseres Herrn am Kreuz, dessen Darbringung und Erneuerung auf dem Altar. Und ihr solltet vor der Hostie knien, wie ich mit den Kindern davor kniete und die Wunden Jesu verehrte – sein unglaubliches Leiden und Sterben ‚für die Vergebung der Sünden‘.“

Gott sieht alles. Er hat auch die schrecklichste Krise, die in die Welt und sogar in die Mutter Kirche kam, vorhergesehen. Deshalb will er uns beistehen, uns trösten und uns Licht geben in der Dunkelheit. Wir müssen die Erscheinungen in Fatima in diesem Zusammenhang sehen.

Schließlich müssen wir uns fragen, was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts passierte. Wer in der Kirche hat den Glauben an die Realpräsenz unseres Herrn im Sakrament aufrechterhalten? Wer hat den überlieferten katholischen Glauben an das Allerheiligste Sakrament bewahrt?

„Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat zum Ziel die Ausrichtung und Verwirklichung des Lebens des Priesters auf das hin, was den wesentlichen Grund seines Seins ausmacht: auf das heilige Messopfer in allem, was es bedeutet, auf alles, was daraus fließt und auf alles, was es ergänzt.“ (Statuten 2,2)

Fast 20 Jahre lang war die Priesterbruderschaft St. Pius X. beinahe die einzige kirchliche Vereinigung, die den traditionellen Glauben an die hl. Eucharistie und das hl. Messopfer verteidigt, verkündet und gefördert hat. Während überall auf der Welt der Novus Ordo Missae den Glauben der Katholiken vernichtete, die Altäre zerstörte und in die Köpfe eine protestantische Auffassung der Eucharistie eingeimpft wurde, waren Erzbischof Lefebvre und seine geistlichen Söhne beinahe die einzigen, die an der Botschaft des Engels von Fatima festhielten – und dafür wurden sie schwer bestraft.

Genau für diese Zeiten sandte Gott den Engel und später Unsere Liebe Frau selbst, um seine treuen Kinder zu trösten, um ihnen Mut zu machen in ihren Prüfungen und Verfolgungen, um die Wahrheit klar aufzuzeigen, und damit sie sich nicht entmutigen lassen, selbst nicht durch die höchsten Kirchenmänner, die nur Diener der Wahrheit sind und nicht deren Meister.

2. „Den Kelch in der Luft schweben lassend, kniete sich der Engel neben uns nieder.“

Wir dürfen nie vergessen, dass zwischen den Engeln und den Menschen ein beinahe unendlicher Unterschied besteht. Der hl. Thomas belegt, dass ein Engel wertvoller ist als die ganze sichtbare Welt. Angesichts des Allerheiligsten Sakraments vereint sich jedoch der Engel mit den Kindern durch dieselben Akte der Anbetung. Wer muss Gott sein, wenn sich die Engel vor ihm demütigen und sich selbst nur als Staub und Nichts sehen, wie alle anderen Geschöpfe?

Ein weiterer Aspekt ist die Tatsache, dass der Engel sich mit den Kindern verbindet.

Es ist Gottes Wille, dass Menschen und Engel, die sichtbare und die unsichtbare Welt, einen Chor bilden, eine vereinte Gemeinschaft, um ihn zu preisen und anzubeten. Je mehr sich die Streitende Kirche mit den Mitgliedern der Triumphierenden Kirche (Engel und Heilige) verbindet, umso mehr ist unsere Verehrung Gottes würdig, umso mehr befinden wir uns in der richtigen Atmosphäre, um ihn anzubeten. Im Himmel gibt es weder Sünde, noch Zerstreuung, noch sonst irgendeinen Rest von Schwäche, wovon wir unglücklicherweise ganz erfüllt sind. Deshalb sind wir viel mehr durchdrungen von der richtigen Atmosphäre und freier von unseren eigenen Mängeln, wenn wir uns dem himmlischen Chor anschliessen (so z.B. bei der Präfation zum Sanctus in der hl. Messe).

Schließlich zeigt uns die Gebärde des Engels (mit den Kindern) welche Haltung Gott wohlgefällig ist, denn der Engel, der vom Himmel kommt, tut bestimmt nichts, das Gott nicht vollständig zufrieden stellt: Die Niederwerfung ist ein sichtbares Zeichen der Demut, der Erhebung des Objektes der Verehrung – Jesus im Allerheiligsten Sakrament ist Gott, und wenn wir uns vor ihm niederwerfen, anerkennen wir ihn als unser Prinzip und Fundament, unseren König und Ursache all dessen, was wir sind und haben. Und auf der anderen Seite sind wir völlig abhängig von ihm und gehören ihm in allen Dingen. Diese Haltung des wahren Zustands des Geschöpfes (ich nichts – Gott alles!) ist auch der Kern der Demut, der einzigen Haltung die Gott wohlgefällig ist.

3. Die Sühne

Eine weitere Glaubenswahrheit, die immer mehr in Vergessenheit gerät und die der Engel von Fatima mit Nachdruck in Erinnerung ruft, ist der extreme Ernst der Sünde und die Notwendigkeit der Sühne aus Liebe.

Der Anfang seines Gebetes ist bereits ein Akt der Sühne: „Ich bitte um Verzeihung für jene, die nicht glauben…“ Dies lädt uns, die ungeheure Ungerechtigkeit zu betrachten, die Gott durch die Sünde zugefügt wird, durch all jene, die nicht an ihn glauben oder zwar glauben, aber sich ihm nicht unterordnen, ihn nicht anbeten wollen, die nicht hoffen und ihn nicht lieben. Für all diese Fehler muss Sühne geleistet werden.

Wie?

Durch die Bitte um Vergebung im Namen der Sünder, dadurch dass man sich an ihrer statt zur Verfügung stellt, um Barmherzigkeit zu erlangen für sie!

Während der zweiten Erscheinung lehrte der Engel die Kinder Opfer zu bringen, als Sühne für die Beleidigungen, die Gott zugefügt werden.

Aber welches ist der höchste Akt der Sühne?

Dies lehrt uns die dritte Erscheinung: Die Sünden, für welche der Engel uns um Sühne bittet, sind die Sakrilegien, Schmähungen und Gleichgültigkeiten, durch die Gott selbst beleidigt wird.

Und wie müssen wir Sühne leisten? „Nehmt und trinkt den Leib und das Blut Jesu Christi, der durch die undankbaren Menschen so furchtbar beleidigt wird! Sühnt für ihre Verbrechen und tröstet euren Gott.“

Wir opfern dem Vater, durch den Heiligen Geist, unseren Herrn selbst, gegenwärtig in allen Tabernakeln der Welt. So vereinigen wir uns geistiger Weise mit Jesus Christus, der sich selbst in der hl. Messe in einem Opfer der Genugtuung und der Sühne „für die Rettung vieler“ darbringt. Wir opfern seinen Leib, der für uns hingegeben wurde, sein Blut, vergossen für uns, seine Seele, in furchtbarer Agonie, und endlich seine Gottheit, die voller „Gnade und Barmherzigkeit“ ist (s. Vision von Tuy 13.06.1929). Diesen unendlichen Verdiensten des heiligsten Herzens Jesu fügen wir noch jene des unbefleckten Herzens Mariens hinzu, seiner Mutter, unserer Mittlerin und Miterlöserin, um sie gemeinsam dem himmlischen Vater aufzuopfern, um die Bekehrung der Sünder zu erlangen.

Dieser Sühneakt findet seine äußerste Wirklichkeit in der HEILIGEN KOMMUNION.

Bereits in diesem Moment lehrt der Engel die Kinder die bekannte SÜHNEKOMMUNION, welche ein wesentlicher Bestandteil der Verehrung des unbefleckten Herzens Mariens werden wird.

Wir sollten die Worte des Engels, die er zur Spendung dieser mystischen Kommunion sprach, auswendig lernen.

Diese Formulierung hat eine bemerkenswerte theologische Präzision: Lucia empfängt die Hostie, Jacinta und Francisco das Blut aus dem Kelch, aber zu allen drei sagt der Engel:„Nehmt und trinkt den Leib und das Blut Jesu Christi“, um zu zeigen, dass wer immer kommuniziert, Jesus Christus ganz und ungeteilt empfängt, seinen Leib und sein Blut, Seele und Gottheit.

Es erinnert uns auch in auffallender Weise daran, wie sehr Jesus im heiligen Sakrament der Liebe mit Füßen getreten wird. Die beste Buße und Sühne, die wir für diese „Sakrilegien, Schmähungen und Gleichgültigkeiten“ leisten können, ist der Kommunionempfang im Geiste der Sühne, um „unseren Gott zu trösten“. Diese Übung ist so wichtig, dass Unsere Liebe Frau darum erneut bitten wird (in Pontevedra am 10.12.1925).

Zusammenfassend können wir über die Erscheinung des Engels sagen: Beim Lesen des Berichtes dieser Erscheinungen kann man nicht die leiseste Andeutung einer Anstößigkeit finden, nichts ist zusammenhangslos, kindisch oder banal. Auch findet man nichts, das übertrieben oder gekünstelt wirkt, nur profunde Wahrheiten, einfach und energisch ausgedrückt. Mit sehr einfachen Worten und Gesten werden die tiefsten Wahrheiten unseres heiligen Glaubens ausgedrückt. Die häufige Betrachtung dieser Erscheinungen wird uns in die wahre göttliche Atmosphäre versetzen und uns darauf vorbereiten (so wie sie die Kinder vorbereitet hat) uns Unserer Lieben Frau zu nähern – oder besser – ihr zu erlauben sich uns zu nähern. Wenn wir das tun, was der Engel die Kinder zu tun bat, werden wir zudem die richtige Haltung eines Geschöpfes gegenüber seinem Gott bekommen, und seine Gegenwart unter uns, vor allem im heiligen Sakrament, richtig schätzen lernen.

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