In jenen äußersten Stunden – Clemens Brentano

In jenen äußersten Stunden – Clemens Brentano

Clemens Brentano2“In jenen äußersten Stunden” ist ein Gedicht von Clemens Brentano (1778 – 1842), einem deutschen Schriftsteller und Dichter, das uns helfen soll, das Leiden unseres Herrn Jesus Christus zu betrachten. Clemens Brentano ist gerade auch in katholischen Kreisen bekannt, da er die Visionen der stigmatisierten selig-gesprochenen Anna Katharina Emmerick aufzeichnete. Im Ergebnis veröffentlichte er vier Werke aus dem Themenkreis der Emmerick-Visionen: Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi, das Leben der hl. Jungfrau Maria, das Leben Jesu und eine von Karl Erhard Schmöger vervollständigte Biographie der sel. Anna Katharina Emmerick. Nachstehend das Gedicht:

 

 

 

449px Julbach St.Anna Kreuzweg KreuzigungIn jenen äußersten Stunden,
Nachts, in des Ölbergs Grunde
Schwitzt’ ich, von Ängsten umwunden,
Blutige Ströme für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Wie ich, von Geißeln zerschlagen,
Wunde an Wunde ertragen,
Laß von den Engeln dir klagen,
Wie viele Wunden um dich!
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich.

Stach mich von Dornen die Krone,
Gab man mir Scherben zum Throne,
Reicht man ein Rohr mir zum Hohne,
Ach, da gedacht’ ich an dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Ach, und zum Tode geschicket,
Peinlich vom Dornkranz umstricket,
Unter der Kreuzlast gebücket
Schleppt’ ich zum Berg mich für dich!
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Sieh, an ein Holz fest geschlagen,
Eiserne Nägel mich tragen;
In einem Meere von Plagen
Wollte ich sterben für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Öffnet der Speer bis zum Grunde
Grausam ins Herz mir die Wunde,
Quillt draus all Tag und all Stunde
Wasser des Lebens für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Sieh alle Wunden erschlossen,
Sieh all mein Blut hingeflossen:
Jegliches Tröpflein vergossen
Hab’ ich aus Liebe für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Betend zum Vater im Sterben
Fleht’ ich, dir Heil zu erwerben,
Setzte dich, Sünder, zum Erben,
Ließ selbst die Mutter für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Himmel und Erd’ hat’s durchdrungen,
Nacht hat die Sonne umschlungen,
Felsen sind bebend zersprungen,
Als ich verschieden für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Was wär’ zu tun noch geblieben?
Da ein unendliches Lieben
Mich zum Erbarmen getrieben,
Opfert’ ich ganz mich für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Ließ, dich als Bruder zu lehren,
Mich von Maria gebären,
Gab dann, dich göttlich zu nähren,
Selbst mich als Speise für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Lösgeld für all deine Schulden,
Wollt’ ich den Kreuztod erdulden,
Will auch im Himmel in Hulden
Ewiger Lohn sein für dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je
Du auch nur denkest an mich!

Wie ich am Kreuze im Leiden
Deiner gedacht’ bis zum Scheiden,
So auch nun, herrschend in Freuden,
Denk’ ich ja immer an dich.
Weh, und wer weiß, ob wohl je,
Du auch nur denkest an mich!

Clemens Brentano

 

 

Bilder:

  • Clemens Brentano (Gemälde von Emilie Linder, um 1837), Wikipedia, Public domain
  • Kreuz: Wikimedia, Das Bild “Stations of the Cross: Crucifixion of Christ” nach Joseph von Führich (1800–1876) ist unter der Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported Lizenz (CC-BY-SA 3.0) verfügbar.
Drucke diesen Beitrag